Kommunale Intelligenz, fest in männlicher Hand - oder: sag mir, wo die Frauen sind...
Vor 17 Jahren bin ich an diesem 8.
Oktober zum ersten Mal als dreifache Mutter wach geworden. Nach zwei Töchtern
durfte ich nun einen kleinen Sohn in meinen Armen halten. Ich hätte mit genau
so viel Freude und Liebe ein drittes Mädchen im Arm gehalten. Doch die
Gratulanten und Besucherinnen zeigten sich erleichtert und erfreut darüber,
dass wir es nun doch endlich auch zu einem „Stammhalter“ gebracht hatten.
Damals schon fand ich diesen Hype um
die Geburt eines Sohnes seltsam, doch ich konnte mein komisches Gefühl noch
nicht so wirklich in Worte packen. Als ich heimkam, stand da ein großer Storch
mit dem Hinweis auf den Stammhalter bei unserer Einfahrt. Nach der Geburt meiner
Töchter hatten uns Blechdosen entlang der Straße empfangen. Obwohl ich
definitiv wusste und erlebt hatte, dass ich meine drei Kinder auf dieselbe
Weise empfangen, in meinem Bauch wachsen und dann aus diesem heraus geboren
hatte, sah mein Umfeld das offenbar anders: Die Buben brachte der Storch und
Mädchen hatten irgendwas mit alten Blechdosen gemeinsam.
Seit meinem Studium der modernen
Matriarchatsforschung kann ich mein subtil-mulmiges Gefühl von damals in Worte
fassen. Ich weiß nun, dass die Gleichsetzung mit den „Bixn“ nur eine Form der vielfältigen
Abwertungen des weiblichen Tores ins Leben ist. Ich bin mir nun sicher, dass
der Storch auch die Seelen der weiblichen Kinder von der Anderswelt in die
Diesseitswelt begleitet. Und dass diejenigen, die den Stamm wirklich halten,
die Frauen sind, körperlich und sozial.
Nur eine Frau kann sagen, „das ist
mein Fleisch und Blut“. Ein Mann darf mit gutem Gewissen stolz darauf sein,
dass er mit seinem Spermium, das um das hundertfache kleiner ist als die große,
weibliche Eizelle und welches Dank der Hormone und der Körperchemie der Frau im
Schoßraum bewegungsfähig ist, seine Gene mit den Genen der Frau gemischt hat.
Gene sind wichtig und es braucht dabei eine Vielfalt und Abwechslung, das haben
wir schon in der Schule gelernt. Das ist der Anteil des Mannes an der
Entstehung neuen Lebens. Ganz realistisch und biologisch auf dem Boden der
natürlichen Tatsachen betrachtet. Sobald die Eizelle die Wahl getroffen hat,
die Erlaubnis dazu gegeben hat, dass dieses eine Spermium in die Eizelle
hineingleiten kann, dort aufgenommen wird und sich in dieser auflösen darf, ist
die körperlich-genetische Beteiligung des Mannes an der Entstehung des neuen
Lebens erfüllt.
Neun Monate lang wächst das Kind nun
im Bauch der Mutter. Das mütterliche Blut des Lebens fließt nicht mehr Monat
für Monat aus ihrem Schoß, sondern nährt nun dieses neue Leben. Alles, was die
Frau für das Wachstum ihres Kindes an Nahrung braucht, lässt Mutter Erde aus
ihrem Erdenbauch wachsen. Wenn das Kind entscheidet, dass die Zeit nun reif
dafür ist, geboren zu werden, löst es die entsprechenden Hormone im Körper der
Mutter aus. Natürlicherweise wird dieses Kind im Kreise der Frauen geboren, in
Ekstase, so wie es empfangen wurde. Die Hebammen halten neben dem Geburts- auch
das Kräuterwissen in ihren Händen.
Doch dann kam eine Epoche, in der
sich ein männlicher Gott anmaßte zu bestimmen: „Unter Schmerzen sollst du
gebären…“ Sein Bodenpersonal, das sich inzwischen zu „Göttern in Weiß“
verselbstständigt hat, gaukelt den Frauen nun vor, dass sie es in der Hand
hätten, die Frauen von diesen gottgegebenen Schmerzen wieder erlösen zu können,
durch PDAs und Kaiserschnitte. Von einem angeblichen Penisneid der Frauen ist
die Rede. Doch der im Patriarchat seit Jahrtausenden bewusst und unbewusst
ausgelebte Gebärneid des Mannes wird nicht thematisiert.
Warum sollte eine Frau, welche neues
Leben in ihrem Leib wachsen lassen kann, neidisch sein auf den Penis des
Mannes? Ich hab in meiner Arbeit mit Frauen noch keine Frau erlebt, die von
diesem Neid geplagt wird. Doch was ich erlebt habe und immer wieder erlebe, das
ist die Angst der Frauen vor dem männlichen Penis, welcher im Patriarchat als
Kriegswaffe gegen die Frauen und damit gegen das ganze Volk eingesetzt wird.
Männer haben sich über Jahrtausende das Recht genommen, in die Frauen
eindringen zu können. Sie haben vergessen, dass es die Frauen sind, die ihren
Schoß für den Mann öffnen, oder auch nicht. Und die Frauen haben vergessen,
dass sie die Hüterinnen jenes heiligen Raumes sind, in dem das neue Leben
entsteht und wächst. Denn auch die Zeugung des Kindes geschieht im Körper der
Frau.
Erika Pichler, eine alte Kärntner
Hebamme, hat gestern Nachmittag in ihren Begrüßungs-Worten beim Kongress Kommunale
Intelligenz, den Wandlungsprozess der Kommunen mit der Entstehung von neuem
Leben verglichen. Sie sagte, dass dieser heutige Tag die Zeugungsphase sei.
Doch die Zeugung ist nur der Beginn und ob das alles dann wirklich gut
weiterwachsen kann, ob es vor allem auch wirklich geboren werden wird und ob es
dann die Zeit des Aufwachsens gut überstehen wird, all das steht in den Sternen
und liegt in den Händen der Menschen, die dieser Entwicklung Raum geben wollen,
die diesen Prozess bereit sind zu begleiten.
Über 300 Menschen hatten sich gestern
im Odeion versammelt, um Teil dieses Zeugungsaktes zu sein. In seinen
einführenden Worten erklärte uns der Geschäftsführer dieses besonderen
Veranstaltungsraumes, dass ein Odeion im alten Griechenland ein überdachter,
geschützter Platz war, an dem sich das ganze kulturelle, politische und soziale
Leben abspielte. Rund waren sie gebaut, die Odeions der Antike, rund wie der
Erdenbauch. Rund, so wie der Bauch der Menschen- und Tiermütter wird, wenn
darin neues Leben entsteht. Einen weiblichen Namen trägt dieser
Veranstaltungsaal, Dorothea Porsche ist die Namensgeberin, das hab ich heute
Morgen bei meiner Recherche im Internet entdeckt. Obwohl man in dieser
digitalisieren Zeit den Eindruck haben könnte, dass es im Internet über alles
und jedes Informationen zu finden gibt, gibt es zu Dorothea Porsche und ihr
Leben wenig zu finden. Gibt frau ihren Namen in Google ein, kommt sie auf die
wikipedia-Seite ihres Mannes Ferry Porsche. Dort erfährt sie Geburts- und
Sterbedaten, den Mädchennamen und Geburtsort und dass Dorothea Porsche die
Mutter von vier Söhnen war.
Auch das Odeion selbst widmet auf
seiner Homepage der Namensgeberin des Herzstücks des Gebäudes keine nähere
Erklärung. Als Salzburgerin weiß ich, dass Daniell Porsche hinter diesem Gebäude
steht. Als Gönner, Förderer und erster Geschäftsführer des Odeion, dessen
Betriebskosten er bis heute übernimmt, wie mir wikipedia verraten hat, hat er
diesem Veranstaltungssaal den Namen seiner Großmutter gegeben. Warum wurde uns
das gestern nicht auch erzählt? Warum war keine Rede davon, dass dieser Saal
den Namen einer Frau trägt? Warum wurde uns nicht gesagt, dass wir uns im energetischen
Raum einer Frau befinden? Weil Frauen, wie meist in unserer patriarchalen Gesellschaft,
nicht der Rede wert sind? Weil Männer es gewohnt sind, energetisch und
praktisch in die Räume der Frauen zu gehen und sich darin nach ihren
Vorstellungen und Wünschen entfalten zu können, ohne die Frauen darum um
Erlaubnis fragen zu müssen? Ohne sich dafür bedanken zu müssen, ohne den Frauen
dafür Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringen zu müssen?
Viel war die Rede gestern von Anstand
und Hausverstand, in den Kommunen, in unserem Zusammenleben. Ich frage mich
nach dem gestrigen Kongress, was der männliche Hausverstand, was der männliche
Anstand dazu sagt, dass Männern so viel Raum gegeben wurde und fast kein Raum
für Frauen vorgesehen war? Drei Hauptreferenten standen am Programm, alle drei waren Männer. Umrahmt von einleitenden Worten durch Erika Pichler und einem Lied von Monika Rosenstatter. Betreut von einem Moderator, auch dieser ein Mann. Auf meinen diesbezüglichen Hinweis auf diese Männerlastigkeit im Vorfeld der Veranstaltung wurden die beiden Frauen dann auch aufs Bankerl eingeladen. Doch geredet haben trotzdem vor allem die Männer. Es war interessant und auch bewegend, was sie erzählten. Doch vielleicht hätte Karl Sighartsleitner aus seiner Zeit als Bürgermeister auch davon erzählen können, wie er einer Frau, einer Mutter geholfen hat. Das wäre sicherlich genau so interessant gewesen wie die Geschichte vom männlichen Alkoholiker und seiner Verwandlung. Von „gänzlich neue Wege gehen“ mit dieser
Veranstaltung ist in der Ausschreibung die Rede. „Neue Perspektiven sollen
eröffnet werden“ und „Dinge im Leben sichtbar gemacht werden“. Helmut
Mödlhammer hat von einer Überschaubarkeit und Durchschaubarkeit der Politik in
der Kommune, in der Region gesprochen.
Darf ich als Frau dabei auch
durchschauen, dass es letztendlich um mich als Frau und vor allem um mich als
Mutter, die ich mit meinen Kindern die „Keimzelle der Gesellschaft“ bin, doch
nicht gegangen ist? Darf ich beim Blick auf die gesamte Veranstaltung
überschauen, dass alle Referenten und auch die wenigen Referentinnen fast nur
in der männlichen Form gesprochen haben? Darf ich diese Dinge sichtbar machen,
ohne in die Schublade der Feministin gesteckt zu werden, die „offenbar keine
anderen Probleme hat oder sexuell frustriert ist“? Darf ich aussprechen, dass
für mich als Frau an diesem Nachmittag zu wenig „neue Perspektiven eröffnet
wurden“, wie ein gutes Leben als Frau und Mutter für mich und meine Kinder in
einer Kommune, in einer Lebens- und Liebenswerten Gemeinde der Zukunft aussehen
könnte?
Darf ich offen und ehrlich sagen,
dass ich enttäuscht bin vom vielgerühmten Gerald Hüther, der mit seinen
Forschungen über das menschliche Gehirn viel Wichtiges in die Welt gebracht hat
und bringt, keine Frage. Doch ich frage mich seit seinem Vortrag gestern
Nachmittag, bei dem er nur in der männlichen Form gesprochen hat, ob er sich
schon mal Gedanken darüber gemacht hat, was eine weibliche Sprachform im Gehirn
von Frauen und Männern auslöst? Welche Bereiche dann gedüngt werden in den
Gehirnen von Frauen, wenn sie wirklich angesprochen werden und nicht nur
mitgemeint sind?
Sprache schafft Bewusstsein, unser
Bewusstsein erschafft unsere Realität. Unser Bewusstsein prägt unsere Sprache.
Solange Männer und auch Frauen kein Bewusstsein dafür entwickeln wollen, dass
die Gleichwertigkeit zwischen Frau und Mann in der Sprache beginnt, dass wir mit
jedem gesprochenen Wort Energie aussenden, dass es darum eben nicht egal ist,
ob ich als Frau angesprochen werde oder eine Menge Energie meines Gehirns dafür
verwenden muss, mir weiterhin vorzumachen, dass ich in der männlichen
Sprachform „mitgemeint“ sei, solange halten auch all die gutgemeinten,
alternativen Bewegungen letztendlich doch am alten, patriarchalen Rollenmodell
fest. Solange es in diesen Kreisen keine sprachliche Weiterentwicklung hin zu
einer weiblichen Sprachform gibt, wird nur die alte Suppe in einem etwas
moderner wirkenden Topf immer wieder aufgewärmt. Ich will mich als Frau nicht
fragen müssen, „was für EINER ich sein will und ob ich jemand sein will, DER
dazu gehört.“ Ich will hören und spüren, dass ich EINE bin, die hier dazugehört
und ich will erleben, dass ich DIE sein darf, die ich bin.
Ich will mir diese Möglichkeit nicht
mehr erkämpfen müssen. Wenn Männer dieses Grundrecht, als Frau in einer
weiblichen Sprachform angesprochen zu werden, nicht verstehen, nicht erfüllen
wollen, dann gehe ich wieder aus diesem Umfeld. Dann ziehe ich mich wieder
zurück in jene Welten, wo Frauen einen Raum haben, wo Frauen der Rede wert
sind, wo es keine Ängste und Widerstände auslöst, wenn Frauen auch zu Wort
kommen, wo es keine Erklärungen und Rechtfertigungen braucht, warum ich eine
weibliche Sprachform als die Basis jeden gesellschaftlichen Wandels erachte und
vor allem empfinde. Dann gebe ich meine Zeit, meine Energie wieder dorthin, wo
ich für Frauen diesen Raum erschaffen und eröffnen kann, damit es immer mehr
Frauen werden, die spüren können, wie es sich anfühlt in einem Umfeld zu sein, wo
Frauen natürlicherweise zu Wort kommen können, wo sie das aussprechen können,
was sie zu sagen haben, was sie bewegt, was ihnen am Herzen liegt.
Damit die Frauen immer mehr werden,
die den Unterschied wieder spüren und benennen lernen - zwischen einer
Männerwelt, die von unserer Lebenszeit ganz selbstverständlich nimmt, indem wir
ihnen stundenlang als Zuhörerinnen zur Verfügung stehen sollen, indem wir ihre
Veranstaltungen im Hintergrund organisieren und betreuen dürfen, indem wir die
musikalisch-künstlerische Umrahmung sein dürfen und einer Welt, die in der Balance
ist zwischen Frauen und Männern. Wo den Frauen ihr natürlicher Raum
zurückgegeben wird, wo Frauen erwähnenswert sind, mit all ihren Taten,
Erlebnissen und Erfahrungen. Wo die Rede ist von unseren Ahninnen, die nicht
nur Veranstaltungssälen ihren Namen gegeben haben, sondern uns allen, Frauen
wie Männern, das Leben geschenkt haben.
Immer wieder höre ich vor allem von
Männern, feministisch orientierte Frauen wären „unweiblich“, weil sie für ihre
Rechte kämpfen und das keine weibliche Tugend sei. Es wird abgeurteilt über
„die Emanzen“, die „keine echten Frauen seinen sondern Mannweiber“. Wenn uns die Männer unseren Raum, unsere
Rechte wieder zugestehen, dann müssen wir nicht mehr darum kämpfen. Dann können
wir uns darin mit all unserer weiblichen Vielfalt, Kreativität, Kraft, Würde,
Schönheit und Liebe entfalten. Doch wenn dieser Raum nicht da ist, wenn Männer
uns diesen Raum nicht öffnen, nicht öffnen wollen, dann müssen wir weiterhin
darum kämpfen. Um dann von diesen Männern als „unweiblich“ hingestellt zu
werden, die uns unseren Raum nicht zurückgeben wollen, welchen sie sich vor
einigen Jahrtausenden anzueignen begonnen haben. Sie sehen dabei nur unsere
Reaktion auf ihr eigenes Verhalten. Doch was sie nicht sehen wollen, das ist
jene Tatsache, dass sie diesen Zustand verursachen.
Ich kämpfe mit den Männern nicht mehr
um den mir zustehenden Raum. Ich lasse sie in ihrer Welt weiterwandern, wenn
ich erlebe, spüre, dass dort kein Raum für Frauen ist. Ich wende mich dann
wieder meinen eigenen Frauenräumen zu. Über welche ich die Hüterin und
Raumgeberin bin für andere Frauen. Ich begleite die Frauen dabei, sich in
diesen geschützten Frauenräumen begegnen, entfalten, nähren zu können. Ich
benenne den Männern gegenüber, wie es mir geht, was ich wahr-nehme, wie ich
mich fühle, wenn sie soviel Raum einnehmen und den Frauen so wenig Raum
zugestanden wird. Darum dieser Blog-Beitrag. Ich zeige ihnen auf, was ich erkannt
habe, was ich darüber weiß. Ich gebe den Männern damit die Chance zur
Reflexion, zur Entwicklung, zum Übernehmen der Verantwortung dafür, dass ein
gleichwertiges Leben zwischen Frauen und Männern wirklich zurück in die Welt
kommen kann.
Ein einziger Mann war als Besucher
zum Matriarchatskongress „friedliche Gesellschaften stellen sich vor“ in Jena Mitte
August gekommen, eine Handvoll Männer waren als Besucher und Zuhörer zum 3.
Weltkongress für Matriarchatspolitik im Jahre 2011 nach St. Gallen gekommen. So
schaut die Welt aus, wenn es darum gehen würde, dass Männer sich dafür
interessieren, was Frauen zu sagen haben. Wenn es darum gehen würde, dass
Männer dazu bereit sind, den Frauen stundenlang zuhören zu können, was sie zu
sagen haben. So klein ist das männliche Interesse daran zu erfahren, wie
matriarchale Gesellschaften funktionieren und was diese ausmacht, die uns seit
Jahrtausenden ein friedliches und egalitäres Leben vorleben. In denen Frau sein
und Weiblichkeit nicht in einen Mutterkult gedrängt wird, sondern das
mütterliche Prinzip die gesamte Gesellschaft formt. In denen jener Mann zum Sprecher
des Clans gewählt wird, der „ist wie eine gute Mutter“.
Prof. Li von den matriarchalen Mosuo
in China brachte es in seinem Vortrag im Rahmen des Matriarchatskongress exakt
auf den Punkt: „Wenn es noch mehr Männer gäbe, die auch gekommen wären…“ – ja, wenn die Männer auch gekommen
wären, dann hätte ihnen Prof. Li von Mann zu Mann erzählen können, dass ihre
westlich-patriarchalen Vorurteile und Ängste gegenüber der zentralen Stellung
der Frauen in den matriarchalen Gesellschaften nicht angebracht und nötig sind.
Vor allem aber hätten Männer in diesen drei Tagen über den
patriarchal-alternativen Tellerrand hinausblicken können und Eindrücke davon in
ihr Leben und Tun mitnehmen können, wie eine Gesellschaft in Balance aussehen
kann.
Von der Bedeutung der Verbundenheit
für jeden Menschen war gestern viel die Rede gewesen. Die Urerfahrung jedes
Menschen ist die neunmonatige Verbundenheit mit der Mutter, mit dem Weiblichen.
Keine alternative Bewegung wird wirklich wachsen und gedeihen können, solange sie
sich gegen die am Anfang beschriebenen Grundprinzipien der Entstehung von neuem
Leben stellt, das ist meine Überzeugung. Solange Männer meinen, bei der Zeugung
die „Hauptrolle“ zu spielen, solange Männer nicht wahrhaben wollen, dass es der
Körper- und Seelenraum der Frau ist, in welchem das neue Leben von Anbeginn an
entsteht, solange Männer nicht realisieren wollen, dass sie, so wie das kleine
Jesuskind, nackt und klein aus dem Schoß ihrer Mutter geboren wurden, solange
Männer sich nicht bewusst werden, dass sie mit jeder sexuellen Begegnung in den
Körper der Frau zurückkehren, solange wird es keinen Frieden auf Mutter Erde
geben und damit auch kein friedliches Zusammenleben zwischen Frauen und Männern
in den Kommunen und Regionen.
Solange alternative Bewegungen nur
Leopold Kohr zitieren, was die Bedeutsamkeit der Regionen betrifft, aber nicht
sehen wollen, dass uns dies die matriarchalen Gesellschaften weltweit seit
Jahrtausenden vorleben, solange werden all die gutgemeinten Bemühungen und
Bestrebungen doch wieder im Sande verlaufen. Denn sie stellen sich, unbewusst
oder bewusst, gegen die Urprinzipien des Lebens auf der Erde, das uns
tagtäglich vorlebt, dass alles Leben aus dem Weiblichen geboren wird. Dieses
weiblich-mütterliche Prinzip formt und prägt die gesamten Gesellschaftsformen
in matriarchalen Kulturen. Auf diese Weise war es den Menschen weltweit über
Jahrtausende möglich, friedlich zusammen zu leben. Auf diese Weise leben die
noch verbliebenen, matriarchalen Kulturen bis heute friedlich zusammen. Obwohl
das Patriarchat nichts unversucht lässt, um auch sie noch zu zerstören und zu
vereinnahmen.
Dieser gestrige Kongress wurde von
Erika Pichler mit der Zeugung verglichen. Es war ein Zeugungsakt, wie wir ihn
im Patriarchat seit Jahrhunderten erleben: der Mann stellt sich dabei ins
Zentrum, nimmt den meisten Raum ein, ignoriert die weibliche Welt, in der sich
das alles abspielt, indem sie nie direkt angesprochen wird, indem ihre
Vertreterinnen in Rand- und Nebenrollen abgestellt werden. Die Leistungen der
Männer sind im Vordergrund gestanden bei dieser gestrigen „Zeugung“. Vielleicht
sollten sie die Fülle an männlichen Spermien darstellen, welche die Natur für
nötig erachtet, damit die eine weibliche Eizelle und die Körperchemie der Frau
die für sie richtige, genetische Auswahl treffen können. Doch nun beginnt, wie
Erika Pichler es auch betont hat, die Zeit der Schwangerschaft und spätestens
nun ist es mehr als an der Zeit, dass die Männer ihre naturgegebene Rolle an
der Entstehung des neuen Lebens wieder annehmen und einnehmen: als Beschützer und
Begleiter der Frauen, im positiven Sinne betrachtet. Denn eine Frau beschützen und
begleiten zu wollen, ist nicht gleichbedeutet mit sie besitzen zu können,
weder sexuell, noch energetisch, weder wirtschaftlich, noch spirituell.
Einmal blitzte kurz jene matriarchale
Welt auf bei diesem Kongress, in der ich für mich das erkannt habe und fühle,
was einen wirklichen Paradigmenwechsel für uns bringen könnte. Teresa
Distelberger, die ich beim Gea-Symposium im Waldviertel vor zwei Jahren
kennenlernen durfte, löste bei Alfred Strigl, dem Moderator des Kongresses, die
Erinnerung an ein Video von ihr über Juchitán, Mexikos Stadt der Frauen aus. Er
sprach davon, dass ihm eine Szene aus dem Video „so eingefahren“ sei. So ganz
schlüssig bin ich aus seiner Reaktion nicht geworden, in welcherlei Hinsicht
ihm diese Szene eingefahren ist, positiv oder eher nicht. Seine Schilderung
davon, dass in dieser Sequenz ein Mann hinter seiner Frau geht und die
Einkaufstüten schleppen müsse, hat Teresa dahingehend richtig gestellt, dass
der Mann einen Karton Bier trägt. (Wer sich davon selber ein Bild machen möchte: Link zum Video mit Martha Toledo - bei Minute 1.30 erscheint die "einfahrende Sequenz".)
Auch wenn er etwas übertrieben haben
mag in der emotionalen Darstellung, wie sehr ihm diese Sequenz eingefahren ist,
so hat seine Reaktion doch die Erkenntnis in mir hochsteigen lassen, dass die
traditionellen, patriarchalen Rollenbilder, wie sich eine Frau zu verhalten und
zu zeigen habe, in den Köpfen der westlichen Männer offenbar noch sehr fest
sitzen und schon davon erschüttert werden, wenn eine Frau sich erlaubt, vor
ihrem Mann zum Fest zu gehen. Wäre es ihm auch so eingefahren, wenn die Frau
hinter dem Mann gegangen wäre und den Tupperbehälter mit dem Kuchen getragen
hätte?
In solchen, wenn auch vordergründig
witzig gebrachten Aussagen von Männern, lese ich zwischen den Zeilen. Dort kann
ich sehen, wie schnell über Frauen, die nicht den patriarchalen Rollenklischees
entsprechen, geurteilt wird. Wie Männer, die eine andere Form von Männlichkeit
leben, wie wir sie hier aus dem Patriarchat gewohnt sind, als „Witzfigur“
hingestellt werden. Wie über Frauen, die ihren Mund aufmachen, die sich das
Unsichtbar machen durch die Männer nicht mehr gefallen lassen, die die
Bevormundung, die Unterdrückung, die Vereinnahmung durch die patriarchale
Männerwelt nicht mehr als „gottgegeben“ hinzunehmen bereit sind, geredet wird.
Wir sprechen Muttersprachen. Doch
wieso sprechen wir dann nicht auch über unsere Mütter, Großmütter und
Urgroßmütter und vor allem: warum lassen wir die Mütter, Großmütter und
Urgroßmütter nicht zu Wort kommen, warum drängen wir sie an den Rand der
Gesellschaft, in die Armutsfalle der Alleinerzieherinnen, in die Altersarmut
der Frauen, in die Unvermittelbarkeit als Arbeitnehmerinnen jenseits der 50ig.
Die Lebensrealitäten von Frauen in
einer Gemeinde sind so gut wie nicht sichtbar geworden im Rahmen des
Kongresses. Das gute Aufwachsen der Kinder ist kein Anliegen von allen in einer
Gemeinde, davon hat Gerald Hüther gesprochen. Die vorgestellten Projekte und
Initiativen haben das deutlich wiedergespiegelt, denn nur in einem der
vorgestellten Projekte waren Kinder ein Thema. Es ging dabei um "einfach essbar". Sandra Peham hat mein subjektives Gefühl bestätigt,
dass der Moderator den männlichen Sprechern mehr Redezeit zugestanden hat als
den wenigen Frauen, die überhaupt die Chance bekommen hatten, zu Wort zu kommen.
Als er ihr signalisierte, dass ihre Redezeit zu Ende sei, hat sie ihm klar
gesagt, dass sie noch weiterspricht, weil die Männer auch viel länger
gesprochen haben. Möge Mutter Erde genau diese Konsequenz, diese Klarheit,
diese Kraft, diesen Mut in den Frauen nähren, für sich und ihre Rechte
einzutreten - ob das nun von den anderen als „unweiblich“ empfunden werden mag
oder nicht.
Mit der Vision, dass es in genau
einem Jahr wieder einen Kongress geben möge, ging dieser Tag zu Ende. 3000
Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen es dann sein, welche die Salzburgarena
füllen. Eine Messe der Ideen soll es werden, bei denen sich viele verschiedene
Projekte und Alternativen vorstellen können. Ich finde den Grundgedanken hinter
alledem wichtig und wertvoll. Ich bewundere das Engagement, mit dem Georg
Dygruber mit viel Herzblut all das initiiert und möglich gemacht hat. Da steckt
ein guter, wichtiger, dringend nötiger Keim in alledem. Doch wie bei allem, was
wachsen und gedeihen soll, braucht es dafür den richtigen Mutterboden. Im
Vaterland ist all das nicht gegeben, das lehrt uns ein Blick in die
Geschichtsbücher. Fürs Vaterland stirbt man, millionenfach, immer und immer
wieder, seit Jahrhunderten. Im Mutterland hingegen, da gibt es ein gutes Leben
für Alle. Möge sich die Salzburgarena an diesem 6. Oktober 2018 in ein
Mutterland verwandeln…
13. November 2017: Diese Vision der Verwandlung in ein Mutterland wird sich wohl nicht erfüllen. Viele Frauen und auch einige Männer haben diesen Blogbeitrag von mir auf facebook geliked, geteilt, bestärkend kommentiert, ihre eigene Sichtweise und Erfahrung mit dieser Thematik und der Veranstaltung geschildert. Doch das alles scheint für Georg Dygruber von der lebenswerten Gemeinde kein Impuls zu sein, sich mit dieser von mir ins Spiel gebrachten, weiblichen Sichtweise beschäftigen und auseinandersetzen zu wollen. Ich habe Georg meinen Blogbeitrag in einer persönlichen Nachricht geschickt, doch sein vor der Veranstaltung angekündigtes Vorhaben, sich darüber mit mir austauschen zu wollen, war offenbar doch nur ein Strohfeuer gewesen, denn Georg Dygruber hat mit keiner Silbe auf meine Impulse reagiert.
13. November 2017: Diese Vision der Verwandlung in ein Mutterland wird sich wohl nicht erfüllen. Viele Frauen und auch einige Männer haben diesen Blogbeitrag von mir auf facebook geliked, geteilt, bestärkend kommentiert, ihre eigene Sichtweise und Erfahrung mit dieser Thematik und der Veranstaltung geschildert. Doch das alles scheint für Georg Dygruber von der lebenswerten Gemeinde kein Impuls zu sein, sich mit dieser von mir ins Spiel gebrachten, weiblichen Sichtweise beschäftigen und auseinandersetzen zu wollen. Ich habe Georg meinen Blogbeitrag in einer persönlichen Nachricht geschickt, doch sein vor der Veranstaltung angekündigtes Vorhaben, sich darüber mit mir austauschen zu wollen, war offenbar doch nur ein Strohfeuer gewesen, denn Georg Dygruber hat mit keiner Silbe auf meine Impulse reagiert.
Danke, liebe Renate, wie immer hast du sorgsam formuliert und es dennoch deutlich spürbar gemacht, dieses Unwohlsein, dieses auf irgendeine Weise gar nicht Vorhandensein innerhalb einer Männergesellschaft, die sich gerne das Mäntelchen der Weltoffenheit umhängt und gönnerhaft die Weiblichkeit mit auf die Bühne bittet.
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