"Wenn es noch mehr Männer gäbe, die auch gekommen wären..." - die matriarchalen Mosuo aus China
Von den Mosuo in China sind Sadama Wang und Prof. La nach Jena gekommen. Die Mosuo sind eine matriarchale Kultur in Westchina mit ca. 30.000 Angehörigen, die rund um den Lugu See und in den umliegenden Bergen leben.Sadama ist die einzige englischsprechende Frau am Lugusee. Sie wird dadurch immer mehr zu einer Botschafterin ihrer matriarchalen Kultur nach Außen. Prof. La kommt aus dem universitären Bereich in China, er forscht u.a. zu den Wurzeln und Traditionen seiner matriarchalen Kultur. Ihn wundert es, dass uns diese so interessiert und so viele Frauen deswegen hierher gekommen sind, denn in seinem universitären Umfeld wird er aufgrund seiner matriarchalen Herkunft diskriminiert. Doch er hätte sich gewünscht, dass es noch mehr Männer gäbe, die auch gekommen wären...", denn er hätte auch den deutschen Männern gerne, von Mann zu Mann, mehr über das Besondere der matriarchalen Kulturen berichtet.
Er singt für uns ein Mosuo-Lied, welches davon handelt, dass er seine Mutter vermisst. Später erzählt er, dass er nicht weiß, wer seine leibliche Mutter ist, weil sich alle Frauen in dieser Generation um die Kinder gemeinsam kümmern. Sie reden nicht drüber, wer nun deine oder meine leibliche Mutter ist. Weil es nicht wichtig ist, welche Frau ihn geboren hat, sondern welche Frauen sich um ihn gekümmert haben. Später zeigt eine Frage aus dem Publikum, wie schwer sich westliche Frauen mit dem matriarchalen Prinzip der Mütterlichkeit tun, denn eine Frau fragt, warum er das Lied über das „Vermissen seiner Mutter“ gesungen hat, wenn er doch gar nicht weiß, wer seine leibliche Mutter ist. Prof. La erklärt ihr das, was für mich aufgrund meiner intensiven Beschäftigung mit matriarchalen Kulturen klar gewesen war: es ist „das Mütterliche“, die „Gesamtheit der Mütter“, von denen dieses Mosuo-Lied erzählt.
Prof. La
erzählt von einem Mosuo-Kind, das in der chinesischen Schule im Datenblatt drei
Mütter eintragen wollte. Es konnte nicht unterscheiden, welche der drei Frauen
die leibliche Mutter ist. Mich berührt diese Aussage, sehr. Welche eine schöne
Vorstellung, gleich drei Mütter zu haben, die für mich da sind, anstatt nur
einer, die noch dazu mit ihrer Mutterrolle heillos überfordert war.
Der Lugusee wurde von der Unesco zu einem der 50zig harmonischsten Gemeinden der Welt ernannt. „Unter der Führung der Mutter kann man wirklich ein harmonisches Leben leben.“ „Außerdem haben wir viel weniger Konflikte über das Geld und die Liebesbeziehungen wie die Menschen im Patriarchat und darum führen wir ein harmonisches Leben.“
Höher gestellt als die Verehrung der Mutter ist nur noch die Verehrung der Natur. Auf diese Weise wird die Umwelt geschützt, es braucht keine Gesetze und keine Strafen. Die Tradition vermittelt diese Verehrung der Natur. Ihre Clanfelder ernten die Mosuo mit ihren Nachbarclans gemeinsam ab, niemand bleibt bei der Arbeit alleine, weder im Haus noch auf den Feldern. Die Sprache der Mosuo ist poetisch, sie ist „wie Wasser, das alles umfließt“.
Neben dem Namengebungsfest nach der Geburt und dem Begräbnis ist die Initiation das dritte große Fest im Leben der Mosuo. Alle Kinder erleben diese Initiation, die Jungen werden gleichberechtigt behandelt. Es geht dabei um die Einkleidung in die Kleidung der Erwachsenen, welche im prächtig ausgestatteten Zimmer der Großmutter sattfindet, wir sehen dies im Film „Wo die freien Frauen wohnen“ anschaulich. Trotzdem fragt später eine teilnehmende Frau nach dem konkreten Ablauf des Initiationsrituals bei dem Mosuo.
Sie hat nicht verstanden gehabt, dass das Einkleiden in Erwachsenenkleidung die Hauptzeremonie der Initiation ist. Darin spiegelt sich unser westlichen Problem mit den Traditionen anderer Kulturen: das, was dort das Bedeutsamste ist, erscheint uns hier alltäglich und profan. In unserer Wegwerfgesellschaft hat auch die Kleidung ihren heiligen Aspekt verloren, sie ist jederzeit austausch- und ersetzbar. Wir kennen meist keine „Lebenstracht“ mehr, die uns mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter von unserer Mutter bewusst angezogen wird.
Die
Salzburger Steppmiedertracht geht in diese Richtung. Sie hat die Frauen früher
aufgrund ihrer Zweiteiligkeit zwischen Rock und Mieder durch die
Schwangerschaften hindurch bis auf das Totenbett begleitet. Doch die Frau darf
sie bis heute erst dann tragen, wenn sie verheiratet ist. Darin zeigt sich die
Verschiebung der bedeutsamen Rituale im Leben der Frauen.
Noch eine Frage aus dem Publikum spiegelte die Schwierigkeit für westliche Frauen, sich in die matriarchale Welt hineindenken zu können. Es war die Frage danach, ob der leibliche Vater die Mutter „seiner“ Kinder finanziell unterstützt. Der leibliche Vater ist bei den Mosuo zwar bekannt, aber er gilt nicht als Familienmitglied, weil er ja in seinem eigenen Mutterclan der Mutterbruder für seine Nichten und Neffen ist und sich nur mit diesen verwandt fühlt, weil sie über das Blut der gemeinsamen Mutterlinie verbunden sind. Die Mütter sind bei den Mosuo mitsamt ihren Kindern finanziell im eigenen Mutterclan abgesichert, es braucht also keine finanzielle Unterstützung des leiblichen Vaters, dessen Bereitschaft dazu, oder auch nicht, hier bei uns im Westen viel Leid und Druck für die Mütter und Kinder bedeutet.
Wie das patriarchale China die sexuelle Selbstbestimmung der Mosuo-Frauen versteht, auch das ist im Film „Wo die freien Frauen wohnen“ eindrücklich zu sehen. Ein Bordell wurde im Mosuo-Land errichtet, für die Han-Chinesen, die in Scharren als Touristen ins Land der Mosuo reisen. Darin arbeiten Han-Chinesinnen in der traditionellen Mosuo-Tracht als Prostituierte. Für die Großmutter von Sadama ist es gar nicht zu denken, dass es Frauen geben kann, die gegen Bezahlung Sex mit Männern haben müssen. Auch so versucht das Patriarchat bis heute, die matriarchalen Traditionen und Kulturen für sich zu vereinnahmen und damit letztendlich zu zerstören.
In einer
Pause erzählt Sadama über das Verhältnis zwischen Frauen und Männern in ihrer
matriarchalen Kultur. Mit Nachdruck in der Stimme sagt sie: „…wir Frauen
respektieren ja auch die Männer! Es basiert auf Gegenseitigkeit, sich zu
respektieren!“ Matriarchale Frauen haben keinen Grund dafür - so wie
patriarchalisierte Frauen das über Generationen erleben und leben - den Respekt
vor den Männern verlieren zu müssen, weil diese sie unterdrücken, ihnen Gewalt
antun und ihnen vor allem ihren angestammten Platz im Zentrum der Gesellschaft
weggenommen haben.
Beziehungen
gehen die Mosuo aus Liebe ein und auch nur so lange, wie die Liebe wärt bleiben
sie zusammen. Nach der Geburt eines Kindes bleibt die Mutter für 40 Tage mit
dem Kind im Haus und wird dort mit allem versorgt, was sie braucht. Die Frau
oder das Kind werden krank, so ihre Überzeugung, wenn sie innerhalb dieser 40
Tage „einen Wind erwischen“. Auch darüber sollten westliche Frauen und Mütter
nachdenken, die hier mit ihren neugeborenen Babys im Kinderwagen durch die
Geschäfte hetzen.
Zu ihrem Hut erzählt uns Sadama, dass die älteren Frauen weniger Schüre und dunklere Farben tragen. Prof. La merkt an, dass die Mosuo-Frauen den Spitznamen „Langhaar“ haben, weil sie sehr dicke, lange Haare haben. Früher haben sie ihre Haare so geflochten, heute übernimmt diese rituelle Aufgabe der Hut.Sadama trägt einen weißen Rock zu ihrer Mosuo-Tracht, die Frauen über 40 tragen grüne oder blaue Röcke und die noch älteren Frauen schwarze.
Auf die Frage, was sie uns mitgeben kann, damit wir ein bisschen so werden wie sie, erzählt Sadama aus ihrem Leben. Sie gibt keine guten Ratschläge, wie patriarchale Menschen das indigenen Kulturen gegenüber so gerne tun. Sie erzählt vom Freund eines Freundes, der aus Deutschland kommt. Als er erfahren hatte, dass Sadama eine matriarchale Frau ist, wollte er nichts mehr mit ihr zu tun haben. Sie sagte, dass es viele Missverständnisse bei den Männern hier in Deutschland gibt, was das Matriarchat betrifft und das möchte sie helfen richtig zu stellen.
Ihre matriarchale Kultur ist geprägt von Toleranz und Respekt, so leben die Männer den Frauen gegenüber und genau so leben die Frauen den Männern gegenüber. Hier erlebt sie ganz viel Angst der Männer vor den matriarchalen Frauen. Uns fehlen die zwischenmenschlichen Beziehungen, man spricht sich hier nur an, wenn ein Bedürfnis da ist. Sie reden ständig über alles miteinander.
Indem sie
die liebevolle Umsorgung, die sie als Kinder selber erfahren haben, an die
nächste Generation weitergeben, wird das Gute der Menschheit tradiert, das ist
ihre Rückgabe an die Gesellschaft, so Sadamas weise Worte zum Abschluss.
Mehr Bilder vom Matriarchatskongress findet Ihr auf meinem Fotoblog ErdenBilderReich - Link zum Beitrag: "Friedliche Gesellschaften stellen sich vor..."
Den sachlich-informativen Beitrag zu den Khasi findet Ihr hier auf meinem Wildmohnfrau.Blog - Link zum Beitrag"Wir leben universelle Werte, die förderlich sind für eine friedlicheWelt."
Über die Minangkabau hab ich ebenfalls einen sachlich-informativen Beitrag hier auf meinem Wildmohnfrau.Blog geschrieben - Link zum Beitrag "Kinder passen bei uns überall hin, dafür sorgen die Frauen."
Meinen persönlich-emotionalen Beitrag zum Matriarchatskongress findet Ihr auch hier auf meinem Wildmohnfrau.Blog - Link zum Beitrag "Ich versuche mir vorzustellen, wie sich ein Leben in einer matriarchalen Gesellschaft anfühlen mag..."
Nähere Informationen zu den erwähnten Filmen über die matriarchalen Gesellschaften gibt es auf www.tomult.de
Über die Aktivitäten der Frauen von MatriaVal e.V. und ihre "Mutterlandbriefe" findet ihr auf www.matriaval.de alles Weitere.
Heide Göttner-Abendroth, die Begründerin der modernen Matriarchatsforschung im deutschsprachigen Raum und ihre Int. Akademie HAGIA, in welcher ich meine Ausbildungen gemacht habe, findet ihr unter www.hagia.de
Im MatriArchiv in St. Gallen gibt es eine umfangreiche Sammlung an Büchern und Materialien zu matriarchalen Gesellschaften zum Ausleihen: www.matriarchiv.info
Und mein Wildmohnfrau-Angebot rund
um das Thema "Matriarchat" findet Ihr auf www.wildmohnfrau.at und einmal im Monat auch in meinem Newsletter, für den Ihr Euch auf meiner Homepage anmelden könnt.
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