„Kinder passen bei uns überall hin, dafür sorgen die Frauen!“ - die matriarchalen Minangkabau aus Indonesien

Yelfia Susanti und ihr Mann Roni Effendi sind von West-Sumatra nach Deutschland gekommen. Sie stammen aus der matriarchalen Kultur der Minangkabau mit ca. 3 Millionen Angehörigen im Kernland. Yelfia ist Deutschlehrerin in ihrer Heimat, sie hat ein Jahr auch in Heidelberg studiert. Ihre eigenen Kinder kann sie jederzeit zum Unterricht mitbringen: „Kinder passen bei uns überall hin, dafür sorgen die Frauen!“, so Yelfia. 

Die Minangkabau erzählen, dass sie ihr Land vom Wasserbüffel erhalten haben. Die Clanhäuser der Minangkabau, die wie ein Schiff gebaut sind, um erdbebensicher zu sein, tragen ein Dach, das drei Büffelhörner darstellt. Diese drei Hörner am Dach stellen die Großmutter, die Mutter und die Tochter-Generation dar, so erklärt uns Yelfia auf die Frage, was ihre eindrückliche Kopfbedeckung bedeutet. Dieser Hut bedeutet: „das Haus gehört den Frauen“, darum tragen die Frauen diesen Hut, der aussieht wie ihre Häuser. Darin zeigt sich deutlich, dass es die Wasserbüffel-Kuh gewesen sein muss, von der sie ihr Land erhalten haben.

Zu seinem Hut befragt erklärt Roni, dass der Hut des Mannes wie ein Schirm ist, der ihm Schutz gibt. Dieser Hut hat drei Ecken, eine Ecke steht für die Mutter, eine für die Frau und eine für die Schwester.

Die Bezeichnung „matriarchal“ umfasst die gesamte Gesellschaftsform in den Bereichen der Ökonomie, des Sozialen, des Politischen und der kulturell-spirituellen Ebene. Um die Bedeutsamkeit der matriarchalen Gesellschaften in ihrer Gesamtheit nicht sichtbar werden zu lassen, verwehrt sich das Patriarchat immer wieder gegen die Bezeichnung „matriarchal“. Für matriarchale Gesellschaften dürfe nur die Bezeichnung „matrilinear“ verwendet werden, welche die Mutterlinie meint, so die Lehrmeinung in der patriarchalen Wissenschaft.

In ganz West-Sumatra darf kein Mann im Grundbuch stehen. „Da können wir nicht rausfliegen, wenn uns die Häuser gehören.“, so die Worte von Yelfia. Auch wenn es wichtig ist, auf dem Begriff matriarchal zu beharren, so stellt sich doch auch die Frage, ob es angesichts dessen für uns westliche Menschen angebracht ist, von „nur“ matrilinear zu sprechen?!

Als Yelfia bei den Mosuo zu Besuch ist, besuchen sie und Sadama einen Lama, um ihn zu fragen, was das Wichtigste ist, um die Freundschaft der Mutterländer zu stärken. Der Schamane befragt weise Blätter und erhält als Antwort für die Beiden: „Mutter Erde möchte geschützt und wertgeschätzt werden! Räuchert Reis und Mais und gebt der Erde einen Schluck von dem Wasser, das ihr trinkt…“. „Mutter Erde soll wissen, wie dankbar wir ihr sind…“ So wie die Minangkabau auch jeden Morgen die Ahninnen und Ahnen begrüßen, mit Räucherwerk und Worten ihnen Freude bereiten.

Die Minangkabau haben die differenzierteste Sprache in Indonesien. Dabei ist es wichtiger, die Gefühle rüber zu bringen als die Informationen an sich. Die Frauen wählen ihren Partner frei und können auch außerhalb der Kultur wählen. Für ein muslimisches Land wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Und doch steht bei der Verbindung mit einem Mann in erster Linie die Verbindung zwischen zwei Clans im Vordergrund. Die romantische Liebe zu einem einzigen Mann spielt keine so große Rolle, weil ja so viele Menschen da sind, die sich alle lieben.

Der höchste Wert in ihrer matriarchalen Gesellschaft ist die Kooperation, im Gegensatz zur Konkurrenz, dem höchsten Wert im Patriarchat. „Das Wachsen und Werden in der Natur ist unser Vorbild.“ Darum ist es das „Adat“, das matriarchale Naturgesetz, welches neben dem Islam weiterhin existiert und ein Sammelsurium an Ritualen darstellt, die alle dafür sorgen, dass Ausgleich stattfinden kann.

„Wir haben auch Universitäten!“, das betont Yelfia eindrücklich. Sie spürt, welch ein verzerrtes, rückständiges Bild sich die Menschen hier im patriarchalen Westen von ihrer Kultur machen. 80 % der Lehrenden auf den Hochschulen im matriarchalen West-Sumatra sind Frauen. Die erste Universität in Indonesien gab es ebenfalls dort.

Wie anders die matriarchale Welt im Gegensatz zu unserer patriarchalen ist, zeigt sich in den Worten, mit denen Yelfia auf die Frage reagiert, was sie uns Menschen hier im Westen mitgeben können, damit wir auch wieder ein bisschen so werden wie sie. Yelfia erzählt, dass sie ihr Mann Roni sie gefragt hat: „Warum leben die alten Leute hier alleine?! Sie haben doch Kinder…“ Unter Tränen spricht Yelfia weiter und Roni weint mit ihr dort am Kongresstisch: „Wir haben neun Monate im Bauch unserer Mütter gelebt, doch wenn sie alt sind, warum lasst ihr sie dann alleine im Altersheim? Wir haben auch die Milch von unserer Mutter getrunken und warum lasst ihr sie dann im Alter alleine?!“

Für Yelfia und Roni ist es unvorstellbar, ihre Mütter im Alter alleine zu lassen. In unserer Dankesrunde für die matriarchalen Frauen und Männer erzählen einige Frauen ihre persönliche Geschichte. Sie berichten von ihrer massiven Angst vor ihren Eltern in ihrer Kindheit, von der Gewalt und dass sie am liebsten gestorben wären angesichts all dessen, was sie in ihrer Kindheit erleben mussten. Sie tun dies, damit Yelfia und Roni vielleicht ein wenig nachvollziehen können, wie anders Kindheit hier im Patriarchat sein kann und warum es ein Schritt des Eigenschutzes sein kann, sich von den eigenen Eltern klar distanzieren zu müssen, sie ins Altersheim zu geben.

All das zeigt und lehrt uns eindrücklich und anschaulich, warum es für uns westliche Frauen und Männer so bedeutsam, wichtig und wertvoll ist, dass sich die friedlichen, matriarchalen Kulturen uns vorstellen und wir einen kleinen Einblick davon bekommen, wie es sich in Mutterländern lebt.

Mehr Bilder vom Matriarchatskongress findet Ihr auf meinem Fotoblog ErdenBilderReich - Link zum Beitrag: "Friedliche Gesellschaften stellen sich vor..." 

Den sachlich-informativen Beitrag zu den Khasi findet Ihr hier auf meinem Wildmohnfrau.Blog - Link zum Beitrag "Wir leben universelle Werte, die förderlich sind für eine friedliche Welt." 

Über die Mosuo hab ich ebenfalls einen sachlich-informativen Beitrag hier auf meinem Wildmohnfrau.Blog geschrieben - Link zum Beitrag "Wenn es noch mehr Männer gäbe, die auch gekommen wären..."

Meinen persönlich-emotionalen Beitrag zum Matriarchatskongress findet Ihr ebenfalls hier auf meinem Wildmohnfrau.Blog - Link zum Beitrag "Ich versuche mir vorzustellen, wie sich ein Leben in einer matriarchalen Gesellschaft anfühlen mag..."

Nähere Informationen zu den erwähnten Filmen über die matriarchalen Gesellschaften gibt es auf www.tomult.de

Über die Aktivitäten der Frauen von MatriaVal e.V. und ihre "Mutterlandbriefe" findet ihr auf www.matriaval.de alles Weitere. 

Heide Göttner-Abendroth, die Begründerin der modernen Matriarchatsforschung im deutschsprachigen Raum und ihre Int. Akademie HAGIA, in welcher ich meine Ausbildungen gemacht habe, findet ihr unter www.hagia.de

Im MatriArchiv in St. Gallen gibt es eine umfangreiche Sammlung an Büchern und Materialien zu matriarchalen Gesellschaften zum Ausleihen: www.matriarchiv.info

Und mein Wildmohnfrau-Angebot rund um das Thema "Matriarchat" findet Ihr auf www.wildmohnfrau.at und einmal im Monat auch in meinem Newsletter, für den Ihr Euch auf meiner Homepage anmelden könnt.

 

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