„Hexen“ – warum wir so wenig von ihrer Geschichte erfahren und was daran auch noch falsch ist

Die „Hexe“ ist uns allen aus „Hänsel und Gretel“ bekannt. „Hexe“ ist eine der beliebtesten Faschingsverkleidungen. „Hexen“ begegnen uns als alte, runzelige, bösartige Frauen. Oder als lüsterne Verführerinnen, die es nur darauf abgesehen haben, Männer mit ihren sexuellen Reizen in die Falle zu locken. Manche Frauen bezeichnen sich als „gute Hexe“. In ihrem Weltbild gibt es also auch „schlechte Hexen“, von denen sie sich natürlich abgrenzen und distanzieren müssen, um damit die patriarchale Spaltung der Frauen in „brave und böse“ nicht hinterfragen zu müssen.

Die Nacht vor dem ersten Mai ist die sogenannte „Walpurgisnacht“. Heute Nacht sollen die „Hexen“ auf ihren Reisigbesen auf den Blocksberg, dem Brocken im Harz, fliegen, um es dort lüstern und ausschweifend mit dem Teufel zu treiben. So beurteilten die Kirchenmänner den vorchristlichen Brauch der heiligen Nacht vor der Venusgeburt am 1. Mai. Bis heute wirken und leben diese diffamierenden, aus ihrer eigenen, unterdrückten Sexualität entsprungenen Fantasien der Mönche und Priester, in unserer „modernen“ Welt weiter. 

Vor allen acht großen Jahreskreisfesten gab es eine „heilige Nacht“. In diesen Nächten bereiteten die Priesterinnen der Göttin, die Heilerinnen und Schamaninnen und all die Frauen in ihrem Gefolge, die Orte und Plätze für die in den Tagen darauf stattfindenden Feste und Rituale vor. Praktisch, aber vor allem auch spirituell-energetisch-schamanisch. Sie haben sich eingestimmt auf das magische Geschehen, das an diesen Schwellen im Jahreslauf auf der Erde, in der Natur und im Kosmos vor sich ging. Sie fühlten sich noch als ein Teil all dessen, spürten und lebten die magische Verbindung zwischen allem und jedem in der Welt. Manche dieser acht heiligen Nächte sind aus unserem Bewusstsein und Festkalender verschwunden, manche haben sich bis heute erhalten, so wie der Heiligabend und die Sommersonnwendnacht, die Halloween- und Osternacht und eben auch die Walpurgisnacht.

Wenn das Thema der sogenannten „Hexenverfolgungen“ im Geschichtsunterricht oder in den Medien überhaupt zum Inhalt gemacht wird, so ist dabei meist von einer ominösen „Volksseele“ die Rede, welche für die Verfolgung und Vernichtung der als „Hexen“ bezeichneten weisen, heil- und kräuterkundigen Frauen verantwortlich gemacht wird. Diese weisen Frauen waren jedoch in erster Linie der Kirche, dem Staat und auch der männlich bestimmten Medizin im Weg. Die Hebammen mit ihrem Geburts-, Verhütungs- und Abtreibungswissen. Die europäischen Schamaninnen, welche als Priesterinnen der Erde die alten, vorchristlichen Traditionen und Kulte rund um die Großen Göttinnen bewahrten. Die Heilerinnen, die mit ihrem umfassenden Wissen über die Heilwirkungen der Natur, über die kosmischen Zusammenhänge, über die Mysterien des Lebens viel mehr konnten als die neuzeitliche Medizin in Männerhand. Die weisen Frauen haben ihre Geschlechtsgenossinnen beim Erhalt ihrer Eigenmacht über ihre Gebärfähigkeit unterstützt. Sie haben Frauen in ihrer spirituellen Selbstbestimmung hinsichtlich ihres alten Göttin-Glaubens und ihrer angestammten, weiblich-erdigen Kulte und Rituale gestärkt. Deshalb wurden sie von Kirche und Staat verfolgt, auf Grausamste gefoltert und auf den Scheiterhaufen Mitteleuropas am Beginn der Neuzeit über drei Jahrhunderte lang ermordet. „Niemand schade der katholischen Kirche mehr als die Hebammen-Hexen…“, so nachzulesen im 1486 erschienen „Hexenhammer“.

Die weisen Frauen waren die ersten Ziele dieses Pogroms gegen Frauen. In weiterer Folge wurden Frauen und Mädchen aus allen sozialen Schichten als „Hexen“ verfolgt und ermordet. Daran ist zu sehen, dass es sich nicht nur um ein „spezielles Phänomen“ gegen einzelne Frauen gehandelt hat, sondern alle Frauen davon betroffen waren. Als Frau reich zu sein, konnte genauso das Todesurteil bedeuten, wie arm zu sein. Es gab auch Männer, die nicht bereit waren, dem alten Glauben abzuschwören, die magische Fähigkeiten besaßen, auch sie wurden der „Zauberei“ beschuldigt und verfolgt. Doch wie im Rahmen der frühen Frauenforschung erstmals dargelegt wurde, waren es vor allem Frauen, gegen die in diesem hochpolitischen Vorgang der „Hexenverfolgungen“ vorgegangen wurde. In keinem Gebiet, in keiner Kultur wurden so viele Menschen unter dem Vorwurf der „Hexerei“ ermordet wie im deutschsprachigen Sprachbereich.

Dem deutschen Wort „Hexe“ haftet eine geheimnisvolle Aura von Bösartigkeit und Verruchtheit an. Die „deutsche Hexe“ ist im landläufigen Sprachgebrauch kaum die weise oder gar „zauberhafte“ Frau, wie die „stregha“ der Italienerinnen, die „witch“ der Engländerinnen, die „sorciére“ der Französinnen. Im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens von Bächtold-Stäubli heißt es zum Begriff der „Hexe“: „Sein Inhalt wurde durch die kirchliche und staatliche Gesetzgebung festgestellt und zuerst durch die Ketzerinquisition zusammengefaßt. Der neue Begriff war um 1480 fertig.“ Frauen haben sich also nicht selbst als „Hexen“ bezeichnet, sondern sie wurden von der sie verfolgenden Behörde so bezeichnet. Die älteste Form der „Hexe“ ist die „hagazussa“, die Zaunreiterin. Frauen haben im Rahmen der Neuen Frauenbewegung den Begriff der „Hexe“ im positiven Sinne bewusst verwendet, damit „die Hexe“ etwas von ihrer unheilschwangeren Bedeutung verlieren konnte.

Eines der wichtigsten Bücher zu diesem Thema ist „Hexen – warum wir so wenig von ihrer Geschichte erfahren und was daran auch noch falsch ist“ von Erika Wisselinck. Sie schreibt darin: „Alles, was wir über die „historischen“ Hexen wissen – jenen unter der Anklage der Hexerei ermordeten Frauen – wissen wir durch ihre Verfolger, nämlich aus nachgelassenen Prozessakten und vor allem aus den theoretischen Schriften, die die Verfolgung begründen.“

Bis heute gibt es kein offizielles Gedenken all dieser Frauen, die als „Hexen“ verfolgt, diffamiert, gefoltert und ermordet wurden. Noch immer finden es manche Brauchtumsvereine „lustig“, auf ihren Sonnwendfeuern „Hexen zu verbrennen“. Die Abbildung von lüstern auf ihren Besenstielen herumreitenden „Hexen“ in sexy Kleidung finden sich zuhauf in allen möglichen Varianten und Formen. Für den schamanischen Flug der Seele brauchen die Frauen jedoch keinen Besen. Der Reisigbesen in den Händen der Frauen war und ist ein magischer Gegenstand, mit dem das Alte ausgekehrt und das Neue eingeladen wird…


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