Georg – vom Fruchtbarkeitsheros zum ritterlichen Drachentöter

Heute ist Georgitag. In meiner Heimatgemeinde Nußdorf am Haunsberg steht Georg als jugendlich-ritterlicher Drachentöter oben am Hochaltar. In der Chronik ist über das Patrozinium unserer Pfarrkirche nachzulesen, dass diese ursprünglich auch der Hl. Margarethe mit dem Drachen geweiht war. Heute ist von dieser Drachenfrau in unserer Kirche jedoch nichts mehr zu sehen. Ob ihr Verschwinden mit der Verwandlung des Hl. Georgs vom Bauern zum ritterlichen Drachentöter zu tun haben mag? 

„Schurli mit der Blechhaub‘n“ kam im Gefolge der Kreuzzüge des Christentums gegen die islamische Kultur als einer von vielen Heiligen aus dem Osten über Kleinasien in den Alpenraum. Georg ist griechisch und bedeutet übersetzt „Bauer“. Der Name leitet sich von γεωργός ab, das sich aus γῆ/γη für „Erde“ und ἔργον/έργο für „Arbeit“ zusammensetzt, wie wikipedia kundtut. Von „geo“ für die Erde ist es nicht mehr weit bis zu „Gaia“, der Großen Erdgöttin der vorchristlichen Kulturen.

Im Zuge der Christianisierung wurden aus den Heros-Geliebten der Göttin männliche Heilige. Ursprünglich die Fruchtbarkeit der im Frühling alles Leben wiederschenkenden Erdgöttin unterstützend, soll er im Auftrag der katholischen Kirche nun dafür sorgen, mit seiner Lanze den Erddrachen abzustechen. Wobei es schon auffällig ist, dass mir bei all meinen Besuchen in Georgskirchen noch nie eine Darstellung, ein Altarbild begegnet ist, bei dem der Drache tot gewesen wäre.

Der Drache und die Drachin stehen für die Kräfte der Elemente. Aus dem asiatischen Raum kennen wir sie noch, die Wasser-, Feuer-, Luft- und Erddrachen, die dort noch Glückssymbole sind, da ohne ihre Kräfte kein Leben auf der Erde möglich wäre. In der Geomantie werden die Energiebahnen der Erde als „Drachenlinien“ bezeichnet. Das Wahrzeichen von Klagenfurt ist der Lindwurm. „lind“ ist keltisch und bedeutet See. Am Ufer des Wörthersees wird sie bis heute verehrt, die Ur-Schlange, welche lange Zeit das Symbol und auch das Begleittier der Großen Göttin gewesen war. Im Kirchenführer der Pfarrkirche von Holzhausen am Starnberger See steht geschrieben: „Gerade ihm – dem Hl. Georg – erbauten die ersten Glaubensboten Gotteshäuser mit besonderer Vorliebe an ehemals heidnischen Opferstätten.

Energetisch hätten diese Plätze diese Kirchen nicht gebraucht, um es milde auszudrücken. Optisch sind die Georgs-Darstellungen in den Kirchen aus landschaftsmythologischer Sichtweise aufschlussreich und aussagekräftig. Immer wieder finden sich Abbildungen auf den Altären, in denen der Drache sich so windet, wie der Fluss, an dessen Ufer die Kirche steht. Auch hier durch meine Heimatgemeinde Nußdorf fließt die Oichten, zwar kein Fluss, aber immerhin hat dieser Bach der ganzen Region hier ihren Namen gegeben, „Oichtental“. Aus unserer Kirche ist Margarethe mit ihrem Drachen entfernt worden, nicht jedoch aus der Kirche in Dorfbeuern, unserer Nachbargemeinde, ebenfalls im Oichtental gelegen. Dort führt sie bis heute den Drachen wie ein Schoßhündchen am Bandl und unter ihrem schützenden Mantel hat sie ihr Volk versammelt. Mit wallend roten Haaren hütet sie, die Drachenfrau, bis heute ihr Oichtental.

Der Georgitag ist hier in unserer Region untrennbar mit den Georgiritten verbunden. Die Flurumritte, bei denen der alte Heros im christlichen Gewande seine Göttin auf ihren Feldern und Fluren noch besuchen darf, enden meist mit einem „Kranzlstechen“. Dabei dürfen all die Georgs-Söhne beweisen und zeigen, welcher mit seiner Lanze am zielsichersten ins immergrüne Schoß-Kranzl trifft. Heutzutage reiten dabei auch Frauen mit. Ob ihnen bewusst ist, dass sie dabei in die symbolisch männliche Rolle schlüpfen, denn die Frauen sind „der Kranz“ und nicht „der Stock“.

Immer wieder wird behauptet, der Kampf Georgs mit dem Drachen symbolisiere den Sieg des Guten über das Böse. Aus dem christlichen Weltbild heraus mag das zutreffen. Wohin uns die Abwertung und Diffamierung der erdverbundenen, matriarchalen Spiritualität als „das Böse“ jedoch geführt hat, wird uns gerade in dieser Zeit mehr als eindrücklich vor Augen geführt. Was nicht mehr als heilig betrachtet wird, kann von den Konzernen gnadenlos bis zum letzten Rest zur Ressource gemacht werden. Seien es die Bodenschätze, das Wasser, die Pflanzensamen, die Menschen der sogenannten „dritten Welt“, die Frauen und inzwischen auch immer mehr Menschen des bisherigen Mittelstandes in den westlichen Ländern.

Zum „Grasausläuten“ sind die Kinder in Tirol am Georgitag unterwegs. Mit den lauten Glocken um ihre Hüften wecken sie die Vegetation, damit es ein fruchtbares Jahr werden möge. Damit Mutter Erde ihre Fruchtbarkeit entfalten kann, braucht sie die Strahlen der Sonne, die Tropfen des Regens und die Winde. In indigen-matriarchalen Kulturen sahen die Menschen in diesen Naturkräften den Herosgeliebten der Erde, mit dem sie „Heilige Hochzeit“ feierte. Überall dort, wo sich ein Sonnenstrahl, ein Regentropfen, ein Windhauch mit einem ihrer unzähligen Blütenkelche vereinigte.

Vielleicht sticht Georg mit seiner Lanze den Drachen oder, besser gesagt, die Drachin gar nicht ab? Vielleicht will er sie gar nicht töten, sondern nur seine „Lanze“ wieder in ihr versenken dürfen…

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