Die goldene Kerze brennt … oder das, worum es wirklich geht
Grade noch hüllte sie die Welt draußen ein,
die Dunkelheit dieser längsten Nacht des Jahres. Oder zumindest versuchte sie
es, wo ihr dies noch möglich ist. Wo sie nicht schon von blinkenden und mit
künstlichen Licht leuchtenden, sogenannten Weihnachtsdekorationen, verdrängt
wurde.
Wir dekorieren die Erde, sie sich uns
nun in ihrer wintersonnwendlichen Erscheinung präsentieren würde, mit menschengemachtem
Plunder aus Plastik und übersehen vor lauter Lichtern die wahre, natürliche
Schönheit dieser einzigartigen Phase im Jahreslauf. Wir hetzen durch laute
Einkaufszentren, voller Menschenmassen, um Geschenke zu kaufen für die
Menschen, die uns lieb sind. Doch Zeit für sie haben wir keine mehr, wie denn
auch, bei all dem Weihnachtsstress.
„Weihnachten“, das sind die geweihten
Nächte. Sie sind deshalb geweiht, heilig, weil in dieser dunkelsten Zeit des
Jahres die kosmische Göttin das kleine Sonnenkind aus ihrem tief dunkelblauen,
mit Sternen übersäten, Himmelsschoss wiedergebiert. Deshalb heißen die
Raunächte in manchen Kulturen auch „Mutternächte“. Der „holde Knab‘ im lockigen
Haar“, der in diesem Jahr anlässlich seines 200. Geburtstages so viel
strapaziert wird, ist letztendlich nur der christliche Nachfolger des kleinen
Sonnenkindes mit den goldenen Strahlen, die sich in seinem goldenen Haar
wiederspiegeln.
Seine kosmische Mutter, die uns
heutzutage als „Maria“ vertraut ist, trägt auch in christlichen Zeiten immer
noch den Sternenkranz um ihr Haupt, ist eingehüllt in den blauen Himmelsmantel,
der sie selber ist und steht auf der Mondsichel. Die Mondin steuert die Gezeiten
der Erde, prägt die Gezeiten der Frauen.
Wir haben es oftmals nicht selber in
der Hand, ob wir das Licht ein- oder ausschalten wollen. Die Städte sind auch
in der Nacht hell erleuchtet, der natürliche Tag- und Nachtrhythmus kommt uns
damit immer mehr abhanden. Wir sprechen von Lichtverschmutzung. Damit fehlt uns
die alles einhüllende Dunkelheit einer Neumondnacht, genauso wie das besondere
Licht der Vollmondnächte.
Natürlicherweise wurde der Eisprung
der fruchtbaren Frauen vom Licht des Vollmondes ausgelöst. Zu Neumond setzte
die Blutung ein. Neben den hormonellen Verhütungsmethoden ist es auch die
Überflutung mit künstlichem Licht, die Frauen immer mehr von diesem
natürlichen, über die Jahrtausende gelebten Zyklus ihrer weiblichen Sexualität
entfernt hat.
Während viele Menschen ihren letzten
Arbeitstag vor Weihnachten hinter sich bringen, sich dabei überlegen, was sie
für die Weihnachtsfeier heute Abend anziehen sollen, sich vornehmen, heuer
dabei nicht wieder zu tief ins Glas schauen zu wollen, im Kopf die Einkaufs-
und Erledigungsliste für das Weihnachtsfest durchgehen, vollzieht sich im
Kosmos ein magisches Geschehen, das es so nur einmal im Jahr gibt. So tief wie
heute Mittag wird die Sonne erst wieder in einem Jahr ihre Bahn ziehen.
Die kosmische Göttin liegt in der
Geburtsphase des kleinen Sonnenkindes und was tun wir, damit diese Geburt
gelingen, glücken möge? Womit nähren wir sie in dieser, für die gesamte
Menschheit, zentral wichtigen Phase des Jahres? Ohne das Sonnenlicht gäbe es für Pflanzen,
Tiere und uns Menschen kein Leben auf der Erde, das Licht ist die elementare
Voraussetzung dafür. In einer Zeit, in der wir immer mehr von künstlichem Licht
überflutet werden, ist es schwer nachvollziehbar, welche Bedeutung die
Wiederkehr des Lichtes für die Menschen früher gehabt hat.
Reich beschenkt fühle ich mich, dass
ich an diesem 21. Dezember das Wintersonnwend-Ritual, heute Abend hier bei mir
am Haunsberg, vorbereiten darf. Gesegnet fühle ich mich auf meinem Frauenweg,
denn ich weiß, dass es alles andere als selbstverständlich ist, in dieser
Verwobenheit mit den Zyklen des Jahres das eigene, berufliche und persönliche
Leben gestalten zu können.
Seit heute Morgen brennt die goldene
Kerze in der Mitte meines Adventkranzes. Sie erinnert daran, worauf doch so
viele von uns vergessen haben: im Advent erwarten wir die Ankunft, die
Wiederkehr des goldenen Sonnenkindes. Eingebettet in die vier Elemente, aus
denen alles besteht. Die weiße Kerze für den Osten, für die Luft, den Frühling,
das junge Leben, unsere Kindheit und Jugend. Die rote Kerze für den Süden, für
das Feuer, den Sommer, für die fruchtbare Frau. Die blaue Kerze für den
Westen, für das Wasser, den Herbst, für die reife Frau, die immer mehr in ihre
eigene Kraft „wechselt“. Die schwarze Kerze für den Norden, für die Erde, den
Winter, für die weise, alte Frau, die schon zwischen den Welten wandert.
Es sind die Percht, die Holle und
kein „Herr“, die nun Einkehr halten in unseren warmen Stuben und Häusern. Sie
bringen den Frieden, die Liebe zurück zu ihren Menschenkindern. Dort, wo heutzutage
in meiner Nachbargemeinde Oberndorf die Stille-Nacht-Kapelle steht, wo am
Montag solche Menschenströme erwartet werden wie wohl noch nie zuvor, dort wo früher
die alte, Oberndorfer Kirche St. Nikola stand, in welcher das Lied „Stille
Nacht“ seine Uraufführung hatte, dort wurde über Jahrtausende, auch von den
Salzachschiffern, die Salzach als ihre Flussgöttin verehrt. In einer markanten
Schleife bildet die „heilige Ache“ hier ein eindrückliches Schoßdreieck, in dem
lange Zeit die Marienkirche von Laufen mit der Nikolauskirche von Oberndorf
eine Einheit bildete.
„Hirten erst kundgemacht“ heißt es in
der sechsten Strophe von „Stille Nacht“. Natürlich haben auch die Hirten die
Wintersonnenwende gefeiert, haben von ferne und nah die freudige Botschaft
verkündet, dass das Sonnenkind, das uns aus der langen, dunklen, unfruchtbaren Winterzeit
wieder erlösen wird, wieder-geboren wurde. Die Rettung aus Hunger und Not war
nicht nur für Gruber und Mohr vor 200 Jahren ein Thema gewesen.
Während in unserer, sogenannten
modernen Welt alles in einem seltsamen Schlafzustand von Konsum und Ablenkung versunken
scheint, wacht einsam das traute, hochheilige Paar. Mutter und Kind, der Göttin
Sohn, oh wie er lacht in dieser ihn und uns rettenden Geburtsstund‘. Doch wer
von uns hört sein Lachen noch?
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