Eine versunkene Stadt im Mattsee
Von der paradiesischen Anderswelt im Flachgauer
„Muttersee“
Dort, wo heute der Mattsee liegt, befand sich einst eine große, schöne Stadt. Diese versank im emporquellenden See, nur die beiden äußersten Enden blieben stehen. Deshalb wird das obere Ende bis heute als „Obertrum“ bezeichnet und das untere als „Niedertrum“. Bei der Ortschaft Stein sieht man bei niedrigem Wasser eine Stiege auf einem großen Stein. Zur Zeit einer großen Hungersnot sollen in der Nähe von Gebertsham mitleidige Frauen dieser Stadt für die Armen gekocht haben. So nachzulesen im „Oberösterreichischen Sagenbuch“ von Adalbert Depiny von 1932.
Im 2023 erschienenen Buch „Alte Geschichten und Sagen aus der
Gegend um den Tannberg, Buchberg und Haunsberg“ schildert Herbert Handlechner
eine andere Version dieser Sage, die da lautet: „Am nordöstlichen Ufer des
Mattsees, bei der Ortschaft Stein in Oberösterreich, liegen viele große
Felsblöcke im Wasser. Sie sehen wie zubehauene große Quader aus. Bei
windstillem Wetter sind sie deutlich zu sehen. Man erzählt sich, dass hier
einstmals eine Stadt gestanden sei. Bei Sonnenaufgang oder auch im
Sonnenuntergang kann ein Sonntagskind, wenn es sich über das Wasser beugt, die
Glocken der versunkenen Stadt hören.“
Über den Namen, die Bewohner und deren Schicksal
Auch mitten im Mattsee soll eine Stelle liegen, von welcher
aus die Fischer bei hellem, klaren Wetter und windstiller Flut in der Tiefe des
Sees deutlich eine versunkene Stadt erblicken, so weiß eine weitere Version
dieser Sage zu berichten. Die Fischer sähen dort auch Türme, Gassen und Häuser.
Aus der Heidenzeit soll diese Stadt stammen, dies lasse sich mit aller
Gewissheit behaupten. Über den Namen, die Bewohner und das Schicksal derselben
vermöge aber kein Mensch Näheres anzugeben, so Rudolf von Freisauff in seinen
„Salzburger Volkssagen“ aus dem Jahre 1880.
Über die möglichen „Bewohner“ dieser unterirdischen Stadt
informiert die Ortschronik von Mattsee. Bis in die mittlere Jungsteinzeit, 5.000
vor unserer Zeitrechnung, reichen die ältesten Spuren menschlichen Lebens am
Mattsee. Der frühere Landesarchäologe Moosleitner bezeichnete Mattsee mit dem
„Schlossberg“ als die bedeutendste steinzeitliche Siedlung im Salzburger
Flachgau. Im matriarchal-schamanischen Weltbild der Jungsteinzeit wurde die
Erde mit all ihren landschaftlichen Erscheinungsformen als „Große Mutter“
betrachtet und verehrt. In den Seen verkörperte sich ihr „Wasserschoss“ in
Gestalt ihres unterirdischen Andersweltparadieses. Dorthin kehrten die Seelen
der Verstorbenen nach ihrem Tode zurück, um sich im Schoß der Erde auszuruhen
und auf ihre Wiedergeburt vorzubereiten. Das weit verbreitete Sagenmotiv der
„versunkenen Stadt“ verweist auf die mythische Unterwelt der vorchristlichen
Kulturen.
Die Segen spendende Wasserfrau
Zum Schicksal der Menschen des „Alten Volkes“ lässt sich
angeben, dass diese im Zuge des Einzugs der frühpatriarchalen Kulturen mehr und
mehr ihrer jahrtausendealten, matriarchalen Kultur beraubt wurden. Die
„mitleidigen Frauen von Gebertsham“ verweisen noch auf die im Dienste der
Erdmutter stehenden Frauen, die mit ihrem zyklischen Wissen rund um den
Kreislauf von Keimen, Sprießen, Wachsen, Reifen und Ernten Sorge trugen für
ausreichend Nahrung.
Bleibt noch die Frage zum Namen dieser „Stadt“ am Grunde des Mattsees.
Näheres dazu berichtet Brunhild Griesner auf ihrem landschaftsmythologischen
Blog „ANA“. Seit uralten Zeiten beginnen die Namen von Göttinnen mit der
Wortsilbe „Ma“ oder „Mut“. Die Landschaftsahnin rund um den Mattsee war die
„Mata“, die „Muada“ der Menschen ihres jungsteinzeitlichen Volkes. Ihren
wässrigen Schoß benannten sie nach ihr „Mat-See“ und die umliegende Umgebung
hieß „Matergowe“, der Gau der Muttergöttin. Mehr über diese Segen spendende
Wasserfrau und ihre christianisierten Kultorte am Mattsee gibt es bald hier zu erfahren.
Dieser Beitrag ist im September 2024 auch im Magazin "Salzachbrücke", Salzburger Nachrichten - erschienen.
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