Klitoris - die Lustvolle


Drei Tage lang war sie das Gesprächsthema an meinem Weibamarktstand. Ganz vorne, unübersehbar, hatte ich sie positioniert. In Weiß und in Rot lag sie dort. Die meisten sahen in ihr zuerst einen Garderobenhaken, manche eine exotische Blume und nur wenige hätten sie, ohne das erklärende Schild daneben, erkannt: die Klitoris.

Alle wissen, wie ein Penis aussieht, doch fast niemand, wie eine Klitoris. Auch mir war bis vor einigen Jahren nicht bekannt gewesen, dass die Klitoris aus viel mehr besteht als nur der Klitorisperle. Als ich das erste 3D-Model einer Klitoris im Internet sah, wollte ich auch so eines haben, zum Herzeigen, zum drüber Reden können, zum Bewusstmachen, welch einen lustvollen Schatz wir Frauen in unserem Schoß tragen. Die Zeit ist überreif, dieses Schatzkästchen in unserem Schoß endlich wieder zu öffnen, so mein Resümee nach drei Tagen Weibamarkt.

Nur Frauen haben ein Organ, das ausschließlich für unsere weibliche Lust da ist. Der Penis des Mannes dagegen beherbergt auch Harnröhre und Spermienleiter. In Anbetracht dessen, mit welcher Vehemenz, mit wieviel Gewalt der männlich-patriarchale Gott in allen Religionen Frauen über Jahrtausende die Lust genommen hat, sie bekämpft, dämonisiert und verboten hat, kann es nur die Göttin als Schöpferin allen Lebens gewesen sein, welche auf die Idee kam, uns Frauen als ihr Ebenbild mit diesem einzigartigen Lustorgan zu beschenken. 

 
Noch heute ist es in vielen Ländern dieser Welt grausame, patriarchale Praxis, Frauen schon im Mädchenalter aufgrund ihres Lustorgans zu verstümmeln. Nur eine Frau, die keine Lust mehr empfinden kann, wäre eine „gute“, eine „reine“ Frau. In den sogenannten „fortschrittlichen“ Ländern des Westens legen sich Frauen freiwillig unters Messer und bezahlten dafür stolze Summen, um ihrer durch Geburten und Alter gereiften Vulva wieder das Aussehen einer mädchenhaften „Brötchenvulva“ zu verleihen.

Nur ein vaginaler Orgasmus wäre ein richtiger Orgasmus und folglich nur eine Frau, die durch vaginale Penetration zum Orgasmus kommt – oder diesen vortäuscht – eine „richtige“ Frau. Auch diese Behauptung ist ein patriarchaler Versuch, Frauen ihre Lust vorzuenthalten. Unsere Vagina ist das heilige Tor ins Leben. Durch dieses tritt jedes Menschenkind hinaus ins Leben. Damit dieses Wunder des Lebens möglich ist, muss der Geburtskanal extrem dehnbar sein und ist darum mit relativ wenig Nervenenden ausgestattet. Deshalb liegt unser hochempfindsames Lustorgan außerhalb der Vagina. 

Es sind die Schwellkörper der Klitoris, welche bei der vaginalen Stimulation erregt werden. Ob eine Frau auf diese Weise zum Orgasmus kommt oder nicht, hängt sowohl von ihrer Anatomie als auch von jener des Penis des Mannes und auch von seiner Standfestigkeit ab. Somit ist auch ein möglicher, „vaginaler“ Orgasmus letztendlich ein klitoraler Orgasmus. 
 
 
Für einen Orgasmus braucht eine Frau keinen Mann, ganz im Gegenteil. Vielen Frauen fällt es leichter, zum Orgasmus zu kommen, wenn sie sich selbst stimulieren. Doch damit berühren Frauen ein mächtiges, patriarchales Tabu. Es ist für Frauen nach wie vor selbstverständlich, dass Männer die kollektive, gottgegebene Erlaubnis haben, Frauen sexuell berühren zu dürfen, wir selber uns hingegen „da unten“ nicht anfassen sollen.

Das „da unten rum“ ist zum Schämen, das sagen uns Begriffe wie Schamlippen und Schamhügel. Auch eine Warze ist nichts Schönes, ist ein krankhaftes Gewächs auf unserer Haut. Sprache schafft Bewusstsein, Sprache schafft Wirklichkeit. Worte sind Energien. Solange die Scham in unserer Sprache über die weibliche Lust und Sexualität kein Ende hat, werden sich unsere Brustknospen nicht in ihrer vollen, lustvollen Pracht entfalten können, wird unser Venushügel nicht lustvoll vibrieren, werden unsere Venuslippen nicht zu ihrer vollen, lustvollen Fülle anschwellen. Solange Frauen selber nicht wissen, nicht wissen wollen, was ihnen in sexueller Hinsicht gut tut, wie sie berühren werden müssen, damit sich ihre Lust entfalten kann, wie können sie da von Männern erwarten, dass sie es ihnen "von den Augen", ablesen sollten können?! Nicht der Mann ist für unsere sexuelle Erfüllung zuständig, sondern zuerst einmal wir selbst.

Selbstbefriedigung geht einher mit kirchlicher Moral, das Verbotene verbergenden Bettdecken und schlechtem Gewissen. Synonyme und Assoziationen für „Befriedigung“ sind Beglückung, Erfüllung, Genuss, Vergnügen, Zufriedenheit, Zufriedenstellung. Stellen wir uns eine Welt vor, voller Frauen, die sich selbst beglücken, sich selbst die Erfüllung schenken, voller Genuss und Vergnügen in ihre Lust eintauchen, nicht mehr darauf warten, darauf hoffen, dass endlich ein Mann kommen möge, der sie sexuell zufrieden stellt, sondern die für ihre Zufriedenheit, im wahrsten Sinne des Wortes, selber Hand anlegen.

Die bei Regelschmerzen nicht an eine Schmerztablette denken, sondern sich an die krampflösende Wirkung eines Orgasmus erinnern. Die bei Einschlafproblemen im Wechsel keine künstlichen Hormone schlucken, sondern die wache Zeit dafür nützen,  ihren Hormon- und Energiehaushalt mit regelmäßigen Orgasmen zu unterstützen. Die sich wieder darüber im Klaren sind, dass es wichtig ist, als Frau nach dem Sex aufs Klo zu gehen, weil die weibliche Harnröhre kurz ist und deshalb beim „Liebe machen“ Keime in dieser aufsteigen können und daher viele Frauen unter Blasenentzündungen nach dem Sex leiden, wenn sie diese Keime mit dem Urin nicht gleich wieder rausspülen.


Als „Kitzler“ wurde und wird die Klitorisperle bezeichnet. Gekitzelt zu werden ist meist nicht angenehm und schon gar nicht lustvoll. Sich gegenseitig zu kitzeln ist ein Spiel unter Kindern. Wenn uns jemand kitzelt, rufen wir meist schnell, dass er damit wieder aufhören soll. Die Entfaltung der weiblichen Lust braucht mehr an Zuwendung, an Aufmerksamkeit, als „da ein wenig herum zu kitzeln“. Und sie braucht mehr Stellungen als jene, welche die christlichen Missionare den Frauen als die einzig erlaubte zugestanden haben, da bei dieser garantiert ist, dass die Frau ziemlich unbeweglich und somit relativ passiv unter dem Mann zu liegen kommt.

Vom Gebärneid des patriarchalen Mannes sollte der Frauen angedichtete, ihnen von Männern nachgesagte, „Penisneid“ ablenken. Frauen sind die Schöpferinnen des neuen Lebens – weshalb sollten sie neidisch sein auf den Penis des Mannes, dessen Anteil an der Entstehung des neuen Lebens im Verhältnis zur Schöpferinnenpotenz der Frau nur ein kurzer und beträchtlich kleinerer ist? Nur eine Frau kann sagen, „das ist mein Fleisch und Blut“. Mit dem Blut unseres genetischen Vaters sind wir nie in Kontakt gekommen. Und nun auch noch das Hervortreten und die Entfaltung des weiblichen Lustorgans aus den Schatten und Tiefen der Verdrängung und Unterdrückung – ob Männer nun auch noch einen „Klitorisneid“ entwickeln werden?

Ein Orgasmus, den Frauen sich selber schenken, wird oftmals als „Notlösung“ hingestellt, empfunden. Dabei sieht die gelebte Praxis in Frau-Mann-Beziehungen oftmals so aus: „Er kommt und sie verhütet.“ Der weibliche Orgasmus ist ein mächtiges, energetisches Geschehen. Eine Frau, die eingebunden ist in das Gewebe des Lebens, die verwurzelt ist mit den Kräften der Erde, speist mit jedem ihrer Orgasmen des Energiefeld der Erde, der Natur. Egal, ob durch die eigene Fingerfertigkeit oder jener eines Mannes ausgelöst – schenken, widmen wir unsere weiblichen Orgasmen wieder der Erde, der Göttin. Stärken wir damit regelmäßig das kollektive Feld der weiblichen Lust, um damit auch all jenen Frauen auf ihrem Weg der Befreiung aus der patriarchalen Unterdrückung der weiblichen Sexualität zu helfen, die noch nicht das Wissen, das Bewusstsein dafür haben.

Immer wieder gibt es Aufrufe, sich zu bestimmten Zeiten zu einer gemeinsamen Meditation für den Frieden oder eine bessere Welt zu verbinden - in Gedanken, auf Herzebene, von Seele zu Seele. Ich frage mich, ob jene Energiewelle, welche ausgelöst würde, wenn sich die Frauen weltweit wieder als Töchter der Erde in sexueller Lust und lustvoller Ekstase verabreden, verbinden würden, wohl ausreichen würde, um die patriarchalen Macht- und Gewaltstrukturen aufzuwirbeln und hinwegzufegen? Ich schwelge in der Vorstellung, wie es wäre, wenn die Frauen weltweit den Aufruf zum Frauenstreik nicht nur dafür nützen würden, um gemeinsam auf die Straße zu gehen, sondern sich anschließend und zwischendurch und als Einstimmung mit wonnevollen Orgasmen beschenken würden - vielleicht ist darin „Frauenbewegung“ in ihrer ursprünglichen, von der Göttin gemeinten Gestalt, zu finden? 




In jeder Handtasche, in jedem Handschuhfach, auf jedem Nachttischkästchen sollte sie griffbereit sein. Sie liegt gut auf der Hand und ich kann Euch versichern, dass die Zeiten der oberflächlichen, sich nur um Kinder, Küche und Mode drehenden Frauengespräche, der Vergangenheit angehören werden, wenn Ihr sie mit der Frage "Was ist das?" Euren Freundinnen, Schwestern, Kolleginnen, Klientinnen präsentiert. Und habt auch den Mut, diese Frage ebenfalls in gemischten Runden zu stellen. Gebt Männern die Chance, von Eurem Wissen über weibliche Sexualität und Lust zu lernen, entwickelt selbst jene Offenheit und Klarheit, die Ihr Euch im Umgang mit Männern wünscht und lasst Euch überraschen, was passieren soll und wird.


Solltest Du Dich jetzt fragen: "Wie komme ich zu so einer?" - die Klitoris als 3D-Modell gibt es bei mir in rot und weiß für 23,-- € bei allen meinen Veranstaltungen zum Kaufen und ich schicke sie gegen Portoersatz auch zu - Bestellungen an: renate@wildmohnfrau.at oder 0043 664 73 56 48 41






Kommentare

  1. ein wunderbarer Text, ich bin mir dessen schon lange bewusst nur fehlten mir dazu oft die Wort

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    1. Nach drei Tagen "üben" am Weibamarkt, wollte all das, was ich immer wieder den überraschten, neugierigen, interessierten Frauen und auch Männern erzählt habe, auch aufgeschrieben werden. Mir haben die Begegnungen und der Austausch dort eindrücklich bewusst gemacht hat, wie wichtig ein offener und mutiger Umgang "damit" ist. Danke Dir für Deinen bestärkenden Kommentar.

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  2. Danke Dir Renate! Wunderbarer Text!
    Ja es ist Zeit unsere Weiblichkeit und unseren Körper als Instrument, uns zur Verfügung steht um uns über unsere L6st und Orgasmen zu entspannen und dadurch immer mehr in die Freude und Tanz des Lebens einzutauchen!!!
    Danke Danke danke❤❤❤

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  3. Hallo Renate,
    ich freue mich über deinen Mut und Stärke auch sogenannte heikle Themen aufzugreifen und sehr treffende Worte dafür zu finden. Ich hoffe sehr, dass viele Frauen deinen Beitrag über die Klitoris lesen und darüber nachdenken werden. Vielleicht kann er auch dazu anregen sanft Hand anzulegen und selbst auszuprobieren, welche Wirkung dadurch entstehen wird. Liebe Grüße Karin

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