Magdalena
In dieser Nacht wechseln wir von der hellen Hälfte des Jahres in jene Zeit, in
der nun die Nächte wieder für ein halbes Jahr länger als die Tage sein werden. Auch vor 21 Jahren
lag dieser magische Zeitpunkt in der Nacht vom 22. auf den 23. September.
Damals feierte ich in dieser Nacht jedoch nicht die Herbst-Tagundnachtgleiche,
sondern hielt zum ersten Mal meine Tochter Magdalena in meinen Armen.
Als ich
heute Morgen ihre Geburtstagskarte mit den Worten begonnen habe, dass es nun
schon ihr zweiter Geburtstag ist, an dem sie nicht mehr daheim wohnt, kamen wieder
die Tränen hoch. Ich teile Magdalenas Sichtweise, dass sich unsere Beziehung eindeutig gebessert hat, seit sie nicht mehr daheim wohnt und es ist genau dieses Loslassen, das mich meine Liebe für sie so intensiv fühlen lässt.
Wir zwei hatten es des Öfteren nicht so ganz einfach miteinander. Meine Vorstellungen davon, was Magdalena tun und lieber lassen sollte, waren zeitweise nicht wirklich kompatibel mit ihren eigenen. Heute Nachmittag, beim Anschauen eines „best of“ ihrer Kindervideos, hat mich Magdalena wieder daran erinnert, dass sie ihre Blockflötenkarriere schon viel früher als ich für wieder beendet betrachtet hatte und auch die zwei Jahre mit der Querflöte für uns Beide mehr Qual als Klang gebracht haben.
Wir zwei hatten es des Öfteren nicht so ganz einfach miteinander. Meine Vorstellungen davon, was Magdalena tun und lieber lassen sollte, waren zeitweise nicht wirklich kompatibel mit ihren eigenen. Heute Nachmittag, beim Anschauen eines „best of“ ihrer Kindervideos, hat mich Magdalena wieder daran erinnert, dass sie ihre Blockflötenkarriere schon viel früher als ich für wieder beendet betrachtet hatte und auch die zwei Jahre mit der Querflöte für uns Beide mehr Qual als Klang gebracht haben.
Während ihre
große Schwester Lisa am liebsten stundenlang an meinem Busen nuckelnd neben mir
gelegen wäre, hatte Magdalena beim Stillen wenig Zeit. Kaum war der Hunger oder
Durst halbwegs gestillt, drehte sie ihren Kopf auch schon wieder weg, um zu
schauen, was um sie vor sich ging. Schon in der Volksschule nützte sie ihre
überzeugende, verbale Gabe und ihre charismatische Persönlichkeit, um der
Lehrerin zu erklären, dass sie ihre Hausübungen deshalb nicht machen könne,
weil wir immer gleich nach Schulende wegfahren und erst spät abends wieder
heimkommen. Damals hab ich ziemlich geschluckt beim Elternsprechtag, als mir Frau
Bischl sagte, dass es so dann doch nicht ginge und ich schon schauen müsse,
dass Magdalena auch Zeit für ihre Hausübungen hat. Heute erzähle ich diese
Anekdote aus meinem reichen Lebensschatz mit Magdalena mit einem Augenzwinkern
und Schmunzeln auf meinen Lippen, denn auf so eine kreative Erklärung für die nicht gemachten Hausübungen kommt
sicherlich nicht jedes Kind.
Weniger zum
Schmunzeln zumute war mir, als ich im Mai 2012 grade am Weg zur Aufzeichnung
meines Beitrags in der Barbara-Karlich-Show in Wien war und dort vorm Portierhäuschen stehend, einen Anruf
von Magdalenas Klassenvorstand erhielt. Er schlug mir vor, sie nun
doch kurz vor Hauptschulende in Mathematik noch in die zweite Leistungsgruppe
abstufen zu lassen, denn es war fraglich, ob sie in der ersten Leistungsgruppe
positiv sein würde und dann hätte sie keinen Hauptschulabschluss. Es lag nicht,
wie bei ihrer großen Schwester am fehlenden Durchblick in Mathe. Das hat sie
dann eindrücklich bei der alles entscheidenden Schularbeit bewiesen und ich war
froh, auf mein Bauchgefühl gehört zu haben und sie wider aller Vernunft in der
ersten Leistungsgruppe gelassen zu haben.
Ein kurzes,
aber nötiges Gastspiel gab Magdalena daraufhin bei den Ursulinen in Elsbethen.
Ihr Querflötenspiel fiel zwar nicht sehr überzeugend aus, doch deswegen sollte
sie auch nicht dieses Jahr dort verbringen. #Aufschrei – die erste Sexismus-Debatte
vor #metoo, initiiert durch die Journalistin Laura Himmelreich, ging Anfang
2013 durch Medien und virtuelle Welt. Und plötzlich waren auch wir mitten drin.
Magdalena erzählte Aussagen und Erlebnisse mit ihrem Musiklehrer, die mich hellhörig
gemacht haben. Wochenlang war ich damit beschäftigt, die Schilderungen der
Mitschülerinnen meiner Töchter zu dokumentieren, deren Eltern für diese
Thematik zu sensibilisieren, die Direktorin und den Landesschulrat über all das
zu informieren.
Auch wenn
der Lehrer an der Schule verblieb, die meisten ihrer Mitschülerinnen, oder
vielleicht doch eher deren Eltern, wieder eingeknickt sind, was die Bestätigung
ihrer Aussagen beim Landesschulrat betraf, die Direktorin überzeugt war von der
Unschuld ihres langjährigen Kollegen und die Schilderungen der sexistischen Aussagen
des Lehrers auf „pubertäre Schübe“ bei den Mädchen schob, uns der Landesschulrat
zwar anhörte und versprach, den betreffenden Lehrer diesbezüglich zu
kontaktieren, aber der Lehrer nicht aus dem Unterricht genommen wurde, sich ihre Mitschülerinnen, kurz vor Magdalenas Abgang aus der
Schule, auf Anraten ihres Klassenvorstandes auch noch beim Lehrer für ihre „falschen
Behauptungen“ entschuldigt haben, so war unsere Aktion letztendlich doch
erfolgreich.
Denn wir
haben nicht mehr länger unseren Mund gehalten, wir sind zum Vorbild geworden
für die anderen Schülerinnen, wir haben Bewusstheit geschaffen für dieses so
wichtige Thema. Magdalena war sehr stolz darauf, so eine mutige, konsequente
Mama zu haben und ich war so stolz auf Magdalena, wie sie dies alles mit mir
durchgezogen hat. Wohl wissend, dass dies ihre Chancen auf eine positive Note
in Musik nicht gerade fördern würde.
Ihr
Durchfallen bei der Nachprüfung gehörte genau so zu Magdalenas Lebensplan, wie
der Umstand, dass sie bei den wenigen interessanten, Mitte September noch
offenen Büro-Lehrstellen, aufgrund ihres Zeugnisses nicht einmal zu einem
Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Gastgewerbe, Verkäuferin und Friseuse,
das wollten wir Beide nicht, somit blieb nur noch eine offene Lehrstelle als
Orthopädietechnikerin beim Tappe. Noch heute höre ich die Worte von Herrn
Stabauer in meinem Ohr, der da am Telefon meinte: „Das Zeugnis interessiert mich
nicht. Ihre Tochter soll einen Tag zum Probearbeiten kommen und wenn sie dann
immer noch bei uns anfangen will, dann reden wir weiter.“
Aus diesem,
ersten Probearbeiten ist inzwischen eine erfolgreich abgeschlossene
Lehrausbildung samt Matura beim Wifi geworden. Im November wird Magdalena bei
der ISPO Austria Jahrestagung in Salzburg ihr Wissen und Können an die
Berufsschülerinnen und Berufsschüler aus Graz weitergeben.
Warum ich
das alles heute, an Magdalenas 21. Geburtstag erzähle? Weil ich damit zeigen
möchte, wie unsere Kinder ihren Weg gehen, auch wenn es vielleicht ein ganz
anderer Weg sein mag, als wir für sie geplant haben. Oder als sie selber
gedacht hätten. Doch kommt der wirklich eigene Weg unserer Kinder nicht von
selbst, auch das hat mir das Leben mit meinen Kindern immer wieder gezeigt. Denn
sie tragen so Manches mit sich, das gar nicht wirklich ihres ist. Das zu den
Ahninnen und Ahnen gehört, das aus dem Familiensystem kommt oder seinen
Ursprung in der frühen Kindheit hat. Das noch nicht angeschaut wurde, das noch
nicht gelöst ist und dadurch unsere Kinder blockiert, belastet, in eine
Richtung drängt, die gar nicht ihre wäre. Wenn wir Eltern die Verantwortung für
unsere Themen, für das Paket der Ahnen, annehmen und es nicht unbewusst an
unsere Kinder weitergeben, dann wird der Weg für unsere Kinder frei. Dorthin,
wo sie wirklich sie selber sein können, sich selbst mit all ihren Fähigkeiten
und Potentialen leben können.
Als es mit
dem selbstständigen Lernen von Magdalena in der Hauptschule so gar nicht
klappen wollte, hab ich dazu eine Familienaufstellung gemacht. Es zeigte sich
ihre Geburt. Sie war so, wie sich seither auch ihr Lernverhalten präsentierte,
schon auf die Welt gekommen: „ohne eigenen Antrieb“, denn ihre Geburt wurde eingeleitet.
Ihr errechneter Geburtstermin war erreicht und das Fruchtwasser auch schon
etwas wenig, wie meine Frauenärztin beim Kontrolltermin an diesem 22.
September 1997 meinte. Da sie einige Tage später auf Urlaub fahren würde und
ich mit ihrer Vertretung auf keinen Fall entbinden wollte, hab ich in den
Versuch eingewilligt, eine baldige Geburt mit dem Legen eines Wehenzäpfchens zu
fördern. Von Magdalena waren zu dem Zeitpunkt jedoch noch keinerlei Signale
gekommen, dass sie schon bereit wäre, meinen geborgenen Bauch zu
verlassen. Kurz nach dieser Aufstellung hat Magdalena eine der besten
Mathe-Schularbeitsnoten ihrer Schullaufbahn geschrieben.
So voller
Dankbarkeit und Stolz hab ich heute mit Magdalena ihren 21. Geburtstag
gefeiert. Ich bewundere sie für ihren interessierten, spontanen, offenen Umgang
mit den Menschen und dafür, wie sie ihr Leben lebt. Freue mich mit ihr über ihr
glücklich sein in ihrer Beziehung und schüttle hin und wieder auch noch den
Kopf angesichts der unzähligen Hardstyle-Festivals, auf denen sie unterwegs ist…
Kommentare
Kommentar veröffentlichen