Hans Wurst, Heros der Alpen
Zyklische Männlichkeit zwischen „Pritsche“ und „Poppin“
Seinen großen Auftritt hat er jedes Jahr beim Rupertikirtag am Salzburger Domplatz: der „Hans Wurst“, eine mythologische Figur, die eng mit dem heimischen Brauchtum verbunden ist. Er tritt mit grünem Hut, rotem Wams und seiner „Pritschen“ in Erscheinung. Mit dieser streicht der „Hanswurstn“, wie er von den Einheimischen bezeichnet wird, den weiblichen Besucherinnen des herbstlichen Volksfestes über deren „Kehrseite“. Glück, Segen und vor allem Fruchtbarkeit schenkt er mit diesem „Klaps“ auf das Hinterteil von Mädchen und jungen Frauen, der kein sexistisch derber Übergriff ist, wie Johannes Rupert Franz, seit 1998 amtierender Hans Wurst, auf seiner Website betont.
Auch beim Salzburger Bindertanz, dem Zunfttanz der Fassbinder, der sich als kultischer Männertanz in den Jahreskreis einreiht, spielt der Hanswurscht eine zentrale Rolle. Als „Narr“ trägt er beim Böcksteiner Schwerttanz in Gastein anstatt der Pritsche ein „Narrenzepter“. Er ist beim Maibaumaufstellen und auch im rauhnächtlichen Winterbrauchtum präsent.
Vom Bajazzl bis zum Papageno
Bei den traditionellen Tafelperchtenläufen im Salzburger Pongau begegnet uns in der Rauhnachtszeit der Hanswurste in zweifacher Gestalt. Er ist der schiache (hässliche) und der schöne „Bajazzl“. Beide führen eine Stoffpuppe mit sich, welche „Poppin“ genannt wird und die an einem langen Strick befestigt ist. Diese wird den Mädchen und jungen Frauen zugeworfen und den so Getroffenen steht, der alten Überlieferung nach, ein fruchtbares Jahr ins Haus. Mit einer imposanten „Lederwurst“ schlägt er als Begleitung der Pinzgauer Tresterer am Jahresbeginn in den Stuben der Bauersleute in den vier Himmelsrichtungen „s’Kreiz nei`“ und wünscht den Bewohnerinnen und Bewohnern „An Fried, an G’sund und an Reim“. Durch Wolfgang Amadeus Mozart gelangte der frohsinnige Freigeist in der Gestalt des Papageno in der Oper „Die Zauberflöte“ zu weltweiter Bekanntheit.
Im matriarchal-schamanischen Weltbild der Jungsteinzeit gab es noch keine männlichen Götter, sondern den „Heros“. Er ist das aus der ewigen und unsterblichen „Göttin“ Gewordene, symbolisiert in Gestalten wie dem „Grünen Mann“. Der Heros
verkörpert die lebensfördernde, männliche Kraft, eingebettet in die natürlichen Zyklen des Lebens. Als Jahreszeitenkönig legitimiert er sich nicht durch patriarchale Macht, sondern erhält seine Würde durch die liebevolle, spirituelle Verbindung mit der Göttin. „In der Vereinigung mit der Göttin sichert sich der Heros auch seine Wiedergeburt, denn genau diese Wiedergeburtsmythologie steckt hinter den sogenannten Fruchtbarkeitskulturen.“, so der Schweizer Kulturanthropologe Kurt Derungs im Nachwort des Buches „Die Göttin und ihr Heros“ von Heide Göttner-Abendroth.
Von der Magie der Wiedergeburt
Unser Salzburger Hans Wurst zeigt sich als regionale Heros-Gestalt. Als „schiacher“ Bajazzl verkörpert er den alternden, sterbenden Herbst-Winter-Heros, dessen Seele in den Rauhnächten in Gestalt der „Poppin“ zu den jungen Frauen „geflogen“ kommt, damit sie ihn als verjüngten Frühlingsheros wiedergebären mögen. Wie durch Magie ist dies schon geschehen: der „schöne“ Hans Wurst zeigt es uns deutlich.
Unschwer lässt sich in Symbolen wie der „Pritsche“, dem „Zepter“ oder auch der „Wurst“ ein Phallussymbol erkennen. Während der Christianisierung Alteuropas wurden die schamanischen Traditionen und jahreszeitlichen Kultfeste mehr und mehr in den Untergrund verdrängt, insbesondere in abgelegene Regionen wie die Alpentäler. Dort haben sich Reste dieser Überlieferungen bis heute in Form sogenannter „Bräuche“ erhalten. So lebt im Salzburger Hans Wurst nicht nur eine umtriebige Narrenfigur fort, sondern auch ein uralter Heros der Göttin im Alpenraum.
Hans Wurst mit seiner "Pritschn" beim Rupertikirtag am Salzburger Residenzplatz, mit dem Salzburger Dom im Hintergrund (Foto: Birgit Egger | Salzburger Nachrichten)
Dieser Beitrag ist im September 2025 auch im Magazin "Mittendrin", Salzburger Nachrichten - erschienen.
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