Gegenüber dem Festspielhaus in der Salzburger Altstadt steht
auf einem Marmorbrunnen eine fast nackte Gestalt, in der rechten Hand eine
mächtige Keule, mit der linken das Stadtwappen haltend. Nur mit einem knappen
Blätterröckchen ist er bekleidet, der „Wilde Mann“. Sein Leib wäre „ganz mit
Schuppen bedeckt“, so versucht uns das „Salzburger Sagenbuch“ weiszumachen. Wer
die Frühlingszeit für einen Lokalaugenschein nützen will, der und dem werden
die „Schuppen von den Augen“ fallen, denn es ist mit freiem Auge ersichtlich,
es sind Blätter mit einer erkennbaren Mittelrippe.
Die Sage erzählt, der „Wilde Mann“ würde sich einmal im Jahr am Karfreitag beim Zwölfuhrläuten um sich selbst drehen, um daraufhin wieder zwölf lange Monate starr und unbeweglich auf seinem Platz zu verharren. „Viele wollten dieses Wunder mit eigenen Augen gesehen haben und fanden hierfür auch gläubige Ohren. Andere dagegen haben schon manchen Karfreitag um die Mittagsstunde vor dem Brunnen zugebracht, ohne daß sich der wilde Mann auch nur im Geringsten bewegt hätte.“, so Rudolf von Freisauff in seinen 1880 erschienen „Salzburger Volkssagen“.
Der Keltenheros Dagda als volkstümlicher „Tattermann“
Der Brunnen wurde als Salzburger Fischbrunnen im 17.
Jahrhundert errichtet. Ursprünglich stand er nahe der Salzach, damals „am
Gries“ genannt, uns heute als Hanuschplatz bekannt. Als der neugewählte
Salzburger Fürsterzbischof Paris Graf von Lodron aufgrund der Bedrohungen durch
den „Dreißigjährigen Krieg“ die Hauptstadt Salzburg militärisch befestigte, war
von dieser landesfürstlichen Aufrüstung vor allem auch die „Unterschicht“ finanziell
betroffen. Deshalb wurde ihr vom Fürsterzbischof zugestanden, den auf ihre
Kosten neu errichteten Fischbrunnen mit einer mythologischen Figur zu krönen,
die im Volksmund auch „Tattermann“ genannt wird.
Der Bürmooser Keltenforscher Georg Rohrecker schreibt in
seinem Buch „Druiden, Wilde Frauen, Andersweltfürsten“, dass sich hinter dem
„Tattermann“ der spätkeltische Gott Teutates verbirgt, dessen mythologisch
älterer Vorgänger der Keltenheros Dagda war. Als „Jack in the Green“ erscheint
er in manchen englischen Dorfkirchen bis heute. Sein wesentliches Attribut, die
mächtige Keule, erhielt er von seiner göttlichen Mutter, der keltischen Göttin
Dana. Auf magische Weise besitzt diese Keule die Kraft, mit ihrem dicken Ende
den Tod zu bringen, während die sich verjüngende und grüne Blätter treibende
Seite zu neuem Leben erweckt.
Die Wiederkehr der Grünkraft
Deshalb ist die in der Sage vom „Wilden Mann“ beschriebene
Drehung tatsächlich lebenswichtig. Jedoch geht es dabei um die Wendung seiner
fruchtbarkeitsfördernden, phallischen „Keule“ und nicht um seine eigene.
Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch der Zeitpunkt dieses magischen
Tuns. Am Karfreitag gedenkt das Christentum dem Tod Jesu, um dann am
Osterwochenende seine Auferstehung „zu neuem Leben“ zu feiern. Zur Zeit der
Keltinnen und Kelten und auch schon Jahrtausende vorher, in der matriarchal-jungsteinzeitlichen
Kultur Alteuropas, starb der Heros, so wie die Natur, die er verkörpert, im
Herbst und erwachte zu Frühlingsbeginn, mit der wieder auf die Erde
zurückkehrenden Grünkraft, zu neuem Leben.
Als Schutzpatron der Salzburgerinnen und Salzburger aus uralten Zeiten unterstützt der „Wilde Grüne“ mit seiner frisch austreibenden „Keule“ Jahr für Jahr eine ausgiebige und reichhaltige Wiederkehr des jungen Lebens aus dem Schoß der Erde. Möge er seine grünende Kraft auch in diesem Frühling in vielerlei Gestalt als lebensspendenden Segen in Erscheinung treten lassen.
Dieser Beitrag ist auch in der März-Ausgabe des Magazins #Salzachbrücke erschienen.
Im Rahmen meiner landschaftsmythologischen Wanderung "Magisches Salzburg" erzähle ich mehr über die vorchristlichen Plätze und Sagen der Salzburger Altstadt und wir besuchen dabei auch den "Wilden Mann" mit seiner Keule: https://www.wildmohnfrau.at/magisches-salzburg
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