Maien-Zwiebel & Bohnen-Magie
Die Zwiebeln in meiner Speis, auch
sie spüren die ungebändigte Kraft des Frühlings. Kräftig treiben sie aus, trotz
Dunkelheit und Getrenntsein von Mutter Erde. Zeit, sie zu Mittag Teil meines
Bohnensalats werden zu lassen. Ich schneide den grünen Zwiebeltrieb ab und
blicke staunend ins Herz der Zwiebel.
Es ist der 1. Mai. Seit sechs Uhr morgens
höre ich unsere Blasmusik im Dorf unten spielen. Sie wecken die Menschen, damit
sie auch in der heutigen Zeit nicht darauf vergessen, dass die
sinnlich-wonnevolle Maienzeit angebrochen ist. Allerorts werden bald die Maibäume
aufgestellt, in denen sich bis heute symbolisch die phallische, männliche Kraft
mit dem immergrünen, lebensschenkenden Schoß der Erde vereint. Vergangene Nacht
haben wir hier bei uns am Haunsberg die Walpurgisnacht gefeiert. Haben dabei
die Wiedergeburt der Liebeskraft gefeiert, uns mit der schöpferischen,
Fruchtbarkeit schenkenden, roten Erdenkraft verbunden.
Ich halte immer noch ungläubig diese
Zwiebel in meinen Händen, obwohl das Zeichen doch eindeutig und unübersehbar
ist. Die rote Zwiebel, das Herz als das Symbol für die Liebe, aber auch als ein
Symbol für den weiblichen Schoß.
Meine Augen tränen durch die frisch
angeschnittene Zwiebel in meinen Händen. Auch mein Sehnen nach der Liebe hat
mich viele Tränen weinen lassen in den vergangenen Jahren. Vor zwei Jahren
haben wir am 1. Mai zum letzten Mal gemeinsam seinen Geburtstag an diesem
besonderen Datum gefeiert. Eineinhalb Jahre sind nun schon vergangenen seit
seiner Trennung von mir. Diese herzige Zwiebel in meinen Händen lässt mich
spüren, dass mit diesem Wandel von der weißen auf die rote Zeit des Jahres auch
mein eigenes, mich durch all die alten Themen hindurch immer mehr zu mir selbst
Verwandeln, in eine neue Phase eingetreten ist.
Ich sitze am Balkon, auf meinem
Lieblingsplatz. Esse den Bohnensalat und schreibe die ersten Zeilen für diesen
Blogbeitrag auf einen Zettel. Doch halt, was ist das denn? Ein so rundes Stück
Zwiebel, das da ganz alleine auf meiner Gabel liegt, als ich diese wieder zu
meinem Mund führen will? Nein, das ist kein Stück von der Zwiebel, das ist eine
rote Bohne! Eine einzige, rote Bohne unter
all den vielen, weißen Bohnen in meiner Schüssel – sie sollte da in ihrer roten
Pracht ganz für sich alleine auf meiner Gabel landen. Sie sollte nicht
ungesehen, unbeachtet, unerkannt unter all den weißen Bohnen in meinem Mund
verschwinden. Sie wollte sichtbar werden für mich, hat sich mir zu erkennen
gegeben, trotz all der roten Zwiebelstücke.
Ich bin baff. Noch mehr als schon
vorhin beim Anblick des Zwiebelherzens. Ungläubig schaue ich eine Weile diese
rote Bohne an, die da ganz alleine zwischen den Zinken meiner Gabel liegt.
Klein und doch rund und prall glänzend in ihrem samtigen Rot. Spätestens jetzt
weiß auch mein Verstand, dass er verloren hat. So viel als „Zufall“ abtun zu
wollen an diesem 1. Mai, an dem die junge Venus wiedergeboren wird, das gelingt
ihm nicht mehr.
Vorsichtig lege ich die Gabel mit der
roten Bohne zurück zu den anderen Bohnen, um meine Kamera zu holen. Als ich die
Gabel wieder hochnehme, ist die rote Bohne jedoch nicht mehr alleine. Ein
Bohnengesicht schaut mich an, etwas schief zwar der Mund, doch dafür strahlen
mich die zwei weißen, runden Augen neugierig an.
Was ist das nur für ein
ungewöhnlicher 1. Mai! Seit sechs Uhr bin ich schon auf und höre mir auf Radio
Salzburg die Volksmusiksendung von Philipp Meikl an. Noch in der Nacht hat Andrea
Aglassinger vom ORF Salzburg einen Radio-Beitrag über unser Walpurgis-Ritual
gestaltet. Mich selbst kurz nach halb sieben in der Früh im Radio über die
Bedeutung von Walpurgis erzählen zu hören und dass der Besen ein magischer
Gegenstand zum Auskehren des Alten und Verbrauchten ist und nicht als lüsterner
Stiehl zwischen den Beinen der Frauen zu betrachten ist, das hatte schon was
ganz Spezielles für sich.
Nach all den Jahren, in denen es mir
nicht gerade leicht gemacht wurde auf meinem Weg, zurück zu meiner
selbstbestimmten, natur- und erdverbundenen, weiblichen Spiritualität und
gelebten Freiheit. Wissend, dass heute Abend in der Nachrichtensendung „Salzburg
heute“ auch ein Fernsehbeitrag über unser Walpurgis-Ritual gesendet werden
wird. Nach drei intensiven und bewegenden Tagen am Weibamarkt in Bad Feilnbach,
die nahtlos in das Vorbereiten für Walpurgis übergegangen waren, waren meine
Obstschüssel und mein Kühlschrank leer. Zum Kochen war ich mir zu müde gewesen,
doch schon seit meiner Kindheit liebe ich weißen Bohnensalat mit vielen
Zwiebeln.
Noch nie war darin eine rote Bohne
für mich gewesen. Bis heute. Ich hab den Zwiebelmund etwas zurechtgerückt. Manchmal gelingt uns dies auch in unserem Leben, dass wir uns die Dinge zumindest ein wenig zurecht rücken können. Noch
einmal die Kamera in der einen und die Gabel in der anderen Hand haltend,
sollte auch dieser besondere Smiley noch aufs Bild.
Das ist Magie. Magie ist die Sprache,
die uns mit der Natur, all ihren Kräften und Wesenheiten verbindet. Mutter Erde
spricht magisch zu uns. Sie ist nun die Maibraut, deren Schoß sich in
unzähligen Blüten öffnet, um ihre Geliebten, die Sonne, den Regen, den Wind zu
empfangen. Ihre Magie ist mächtig und sie ist allerorts zu finden, selbst in
einer Bohnendose und einer austreibenden Zwiebel in der Speis.
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