#ausgefastet - Lebenslust statt Fastenfrust

Das neue Leben, überall tritt es nun von Tag zu Tag mehr hervor. Die Knospen auf unserem Holunderbusch sind schon am Austreiben, die Schneeglöckchen läuten unübersehbar den Frühling ein und auch der Bärlauch spitzelt schon hervor hier bei uns am Haunsberg. Die Natur kommt nun, wortwörtlich und allerorts sichtbar, wieder auf die Welt. Vor unserer Haustüre beginnt das große Leben. Alles sprießt, keimt, bricht auf und schießt förmlich in die Materie.

Für die Menschen des Alten Volkes brachte die verjüngte Holle, die Schönpercht in ihrer jugendlichen Gestalt, das neue Leben zurück auf die Erde, begleitet von ihrem jugendlichen Heros-Geliebten. Er erscheint im alpenländischen Faschingsbrauchtum in vielerlei Gestalt. Als „Roller“ oder „Tuxer“ in der Tiroler Fasnacht, als „Nüssler“ in der Schweiz, als „Faschingrenner“ im Bezirk Murau in der Steiermark, als „Finserl“ im Ausseerland, als „Prinz Karneval“, „Faschingsprinz“ oder auch als „Harlekin“ in der Commedia dell’arte. Die Frühlings-Heroen verkörpern die Frühlingskraft. Mit ihren Schellen wecken sie die Vegetation. Als junge, schöne, kraftvolle Männer tänzeln sie durch die Tiroler Dörfer, fangen sie mit ihren „Goaßln“ die jungen Frauen ein. Früher ging es bei den Faschingsrennern darum, welcher „den Längsten“ hat, symbolisiert in ihren spitzen, hohen Hüten. Mit ihrer „Stange“, geschmückt mit bunten Bändern, müssen sie ihre männliche Potenz beweisen, bevor ihnen Einlass gewährt wird in Hof und Haus. 

Die aufstrebende Frühlingsenergie, die sich uns in der Faschingszeit als wildes, sexuelles Frühlingstreiben offenbart, war den Kirchenmännern ein massiver Dorn im christlichen Auge. Sie versuchten mit allerlei Verboten, die Faschings- und Fasnachtsbräuche auszumerzen und zu verbieten. Doch wie soll Fruchtbarkeit entstehen ohne Körperlichkeit, ohne Lust und Sexualität?! Da sich das Lebenslustige und Lebensfrohe auch bei „schwärer straff und ungnat“ nicht hat verbieten lassen, griffen die Kirchenmänner zu einer bewährten Taktik: sie deuteten die Fasnachtsbräuche in ihrem Sinne um und vereinnahmten damit das wilde Treiben. Diese Strategie machte aus der Fasnacht einen christlichen Brauch, der als belehrendes Spiel gefördert wurde, denn die Fasnacht sollte nun dazu dienen, die Gläubigen an die Auferstehung ins Himmelreich Gottes hinzuführen und ihnen die Sündhaftigkeit ihres Leibes vor Augen zu führen. 

Die Auferstehung der Natur

Um die „Auferstehung der Natur“ im Frühling, die von unseren Vorfahrinnen und Vorfahren nach der entbehrungsreichen Hungerzeit der Wintermonate groß und ausgiebig gefeiert wurde, kam die Kirche im Zuge der Missionierung und Christianisierung Europas nicht herum. Aus den Höhlen der Erde, aus den Quellen und Brunnen wird der Frühlings-Heros wiedergeboren, so die naturmythische Vorstellungswelt unserer Ahninnen und Ahnen. Die Brunnen wurden deshalb von den Kirchenmännern zum „Sündenquell“ erklärt und aus der Erdenhöhle sollte in Zukunft Jesus an Stelle der Frühlings-Heroen „auferstehen“. Körperlos, um ins Himmelreich seines Vaters aufzusteigen, anstatt lustvoll über Mutter Erde zu tänzeln.

Entsprechend dem dualistischen Weltbild der Kirche von „Gut und Böse“ wurde der Fasching zum „Bösen“, zum Lasterhaften erklärt, wovon uns die „Fastenzeit“, die auch als „Bußzeit“ bezeichnet wurde, läutern soll. Die wilde Fasnacht solle die Menschen an die „Torheit des Fleisches“ erinnern und deren „schlimmen Folgen“ aufzeigen, womit vor allem jene „fleischlichen Genüsse“ zu verstehen sind, die sich in den sexuellen Ausschweifungen als zentrale, fasnächtliche Vergnügungen zeigen und weniger im Fleischkonsum auf dem Teller. Die Gründe dafür, wieso die Kirche die Faschingsbräuche beibehielt und zum Teil sogar förderte, hatten jedoch nichts mehr mit der „kultischen Freude am frühlingshaften Sprießen der natürlichen Kräfte“ zu tun, sondern gehörten zu ihrer Vereinnahmungs-Strategie der matriarchal-schamanischen, naturverbundenen Spiritualität. 

Die Frühlingskraft wird begraben

Deshalb setzt die Kirche mit der Fastenzeit dem natürlichen Fluss der Frühlingsbräuche ein künstliches Ende. Die Kirchenmänner erklären die Frühlingsfeiern mit dem Aschermittwoch für beendet. Sie haben damit so massiv wie zu keiner anderen Phase im Jahr in den natürlichen Jahreslauf eingegriffen. Das Begraben oder Verbrennen „des Faschings“ am Abend des Faschingsdienstag präsentiert dies im Brauchtumskleide. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass all die Gestalten, die da begraben, verbrannt, ertränkt oder auch erschossen werden, die neue Frühlingskraft verkörpern, dann kann ich daraus für mich nur das Resümee ziehen, dass da „irgendwas“ fundamental schief läuft in unserer „modernen“ Welt.

 

Noch so Einiges könnte ich darüber erzählen, wie es im Christentum im Frühling nicht mehr um die Feier des Lebens, der Lust und der Leiblichkeit und des Erscheinens der Materie geht, sondern um deren Überwindung. Darüber Bescheid zu wissen ist das eine. Es energetisch, rituell, praktisch umzuschreiben das andere.

Immer wieder höre ich von Menschen die Aussage, ein „Faschingsmuffel“ zu sein, dass sie froh sind, wenn die närrischen Tage vorbei sind und alles wieder seinen gewohnten Gang geht. Die Zeit des Faschings steht für frühlingshaftes Treiben und Fröhlichkeit, für sexuelle Lust und Flirt. Was sagt es aus über eine Gesellschaft, über die Menschen, wenn wir immer „faschingsfeindlicher“ werden? Wenn uns die „Lust auf den Fasching“ immer mehr vergeht? Wenn uns unser „gewohnter“ Alltag immer weniger Zeit und Kraft lässt zum Verkleiden, zum Ausprobieren neuer Rollen. Wenn die Faschingskostüme industriell irgendwo in China gefertigt werden. Wenn überall dieselben Figuren verkauft werden. Wo ist die Individualität auf der Strecke geblieben? Die Tradition der Faschingskostüme, an denen man früher das Dorf, das Tal erkennen konnte, aus welcher eine Fasnachtsfigur stammte. 

Es im Frühling neu treiben

Wir sind „zivilisiert“, was im patriarchalen Kontext für „nicht mehr wild“ steht. Wir treiben es im Frühling nicht mehr, rufen nicht mehr die wilde Lebenskraft, welche die Menschen früher für sich, für ihr Land und ihr Vieh herbeigebeten haben. Für uns ist es selbstverständlich geworden, dass wir den Winter überleben, dass wir uns in dieser Zeit einen Winterspeck angefuttert haben, den wir nun in der Fastenzeit wegfasten können. Das Lebenslustige und Lebensfrohe braucht uns niemand mehr verbieten. Die Jahrhunderte währende Abwertung des wilden, sexuellen Frühlingstreiben haben wir inzwischen soweit verinnerlicht, dass viele Menschen selbst mit der auf eine knappe Woche im Jahr beschränkten, fröhlichen und lebenslustigen Faschingszeit nichts mehr anfangen können oder wollen.

Vielleicht ist Corona dafür verantwortlich, dass bei mir heuer plötzlich alles anders kommen soll in der Fastenzeit. Fast genau ein Jahr lang haben wir aufgrund der Corona-Maßnahmen nun schon „Leben gefastet“. Vielleicht brechen aus mir die wilden, natürlichen Impulse der Frühlingszeit heuer deshalb so stark hervor wie noch in keinem Jahr zuvor. Vielleicht erlebe ich die künstlich geschaffene Fastenzeit heuer deshalb als so wider die Natur gehend wie noch nie. Vielleicht erachtet Frau Percht ganz einfach die Zeit nun für gekommen, dass meinen aufklärenden Worten auch rituelle Taten zu folgen haben. Damit die kirchliche Begrenzung der Frühlingsbräuche durch die vorösterliche Fastenzeit ein energetisches und rituelles Ende finden möge, damit die Welle des Gegensteuerns weitreichend, groß und kraftvoll ausfallen möge, lade ich Euch hiermit zur unserer „Fastenzeit-Challenge 2021“ #ausgefastet ein!

 


Bereit zum Ausfasten: Wir durchbrechen die Fastenzeit-Energie mit täglichen, wild-lebendigen Impulsen, die jede und jeder im persönlichen Umfeld umsetzen kann. Und wir zeigen uns dabei. Mit Fotos oder kurzen Videos auf Social Media unter dem #ausgefastet. 

Meine #ausfasten-Impulse aus der Fastenzeit 2021 gibt es zum Mitmachen auf meiner Wildmohnfrau-Homepage.

Wie lange: Da die Fastenzeit, bevor die Sonntage von der 40-Tage-Berechnung ausgenommen wurden, erst nach dem "Funkensonntag" begann, der heute als erster Fastensonntag bekannt ist, hab ich mich 2021 für diesen alten Fastenzeit-Beginn entschieden. 

Enden wird unsere #ausgefastet-Challenge, so wie die christliche Fastenzeit, am Karsamstag. Doch wer weiß, vielleicht sind wir dann erst so richtig auf den frühlingshaft-lustvollen Geschmack gekommen und wollen gar nicht mehr aufhören mit lebendig und lustvoll Sein?!

Wie oft: Von jedem Tag bis einmal dabei sein wollen ist alles möglich. 

Zum #ausfasten-Einladungsvideo auf meinem Wildmohnfrau-YouTube-Kanal: https://www.youtube.com/watch?v=aqkIugeHoE4

Zur #ausgefastet-Challenge auf meiner Homepage: www.wildmohnfrau.at/ausgefastet

Möchtest Du die Frühlingszeit als Ritual im Frauenkreis online feiern:  https://www.wildmohnfrau.at/keime-neuen-Lebens---ritual-zu-ostara

Mehr erfahren über die landschaftsmythologische Betrachtungsweise der alten Bräuche, der Landschaft, der Sagen und Mythen und des Kirchenjahres: Lehrgang matriarchale Landschaftsmythologie und zu meinen landschaftsmythologischen Wanderungen

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