Vom Brot des Lebens
Die „Laurenzi-Brotweihe“ in
Niederheining bei Laufen
Goldgelb glänzen die Getreidefelder in der Juli-Sonne und
wiegen sich im Sommerwind. Die sommerliche Hitze sorgt dafür, dass das Getreide
reif wird. Bevor es die Sonnenkraft ganz verdorrt, kamen in früheren Zeiten die
Schnitterinnen mit ihren Sicheln und begannen mit der Ernte des Getreides. Eingebettet
in die Zyklen des Jahres, brachten sie die Ernte ein, denn nur so war das
Überleben der Sippe über den Winter gesichert. Heutzutage haben diese Aufgabe
mächtige Mähdrescher übernommen. Im Vordergrund steht der Profit und nicht mehr
die Verbindung zu Mutter Erde als Kornmutter, welche bis heute für volle Getreidespeicher
und damit für unser „täglich Brot“ sorgt.
Der erste „Herbstbruder“ zieht ins Land
Als der erste „Herbstbruder“ wird Laurentius bezeichnet,
einer der meistverehrten und volkstümlichsten Heiligen der katholischen Kirche.
Mit seinem Festtag am 10. August beginnt der Anbau der Feldfrüchte des
Herbstes. „An Laurenzi, es ist Brauch, hört das Holz zu wachsen auf.“, wie eine
alte Bauernregel kundtut. Außerdem herrschte früher die Ansicht, dass sich die
Erde am Laurenzi-Tag öffne und ihre Schätze zeigt. Schön und heiter soll das
Wetter an diesem Tag sein, dann wird ein freundlicher und gesegneter Herbst
folgen. Sollte es zu Laurenzi jedoch regnen, so ist mit einer großen Mäuseplage
zu rechnen.
Auf einem glühenden Rost wäre der hl. Laurentius bei
lebendigem Leib gebraten worden, so wollte es das Storytelling der
mittelalterlichen Mönche. Als ursprünglicher Feuerpatron und mythologischer
Vorgänger das hl. Florians richtete sich der Laurentiussegen sowohl auf die
Abwendung von Feuersgefahr als auch auf die Erflehung seiner Fürbitte gegen die
Qualen des Fegefeuers. Am Laurenzi-Tag könne man an den Wurzelfasern eines
Grasbüschels kleine „Lorenzi-Kohlen“ finden, welche mehr Wärme als gewöhnliche Kohlen
geben. Laurentiustränen werden im Volksmund die alljährlich rund um den 10.
August in auffallend großer Menge vom Himmel niederfallenden Sternschnuppen der
Perseiden genannt.
In keltischer Zeit wurde Anfang August „Lughnasadh“ gefeiert.
„Lug“ steht im Keltischen für die Sonne und „nasad“ für deren „hohe Zeit“, die
im August, Jahr für Jahr, mehr und mehr beschnitten wird. Der alte Keltenheros Lug
schenkte sich im vorchristlichen Weltbild in Gestalt der geschnittenen
Sonnenstrahlen der Erde. Er wandelte sich zum herbstlichen Begleiter der Erntegöttin,
dessen heidnische Gestalt mit dem hl. Laurentius christianisiert wurde.
Pfarrer Simon Eibl beim Verteilen des Laurenzi-Brotes in Niederheining |
Vom alten Schnitterin-Brotfest zur christlichen Brotweihe
Zum Abschluss der Getreideernte wurde von den Schnitterinnen
aus dem ersten frischen Mehl rituell Brot gebacken, im Volk verteilt und oft
auch dem Vieh unters Futter gemischt. Im Zuge der Christianisierung wurde aus
diesem naturverbundenen Ritual das „Laurentiusbrot“. Heutzutage findet sich
dieses alte Brotsegens-Ritual noch in der Wallfahrtskirche Niederheining bei
Laufen an der Salzach. Dieser als „Laurenzi-Brotweihe“ bezeichnete Brauch ist
für das Jahr 1553 erstmals belegt, wie Hans Roth, erster Vorsitzender des Historischen
Vereins Rupertiwinkel e.V. in der EuRegio Broschüre „Wallfahrtskirchen“
ausführt. Bis heute werden nach dem Patroziniumsfest in Niederheining vom
Priester vor der Kirche die in Stücke geschnittenen Brotlaibe gesegnet und anschließend
an die Besucherinnen und Besucher verteilt.
Brot ist in unserer kapitalistischen Konsumgesellschaft zu einem Wegwerfprodukt und Weizen zu einem Spekulationsobjekt verkommen. Unzählige Tonnen Brot werden vernichtet. In früheren Zeiten war Brot so heilig und verehrungswürdig, dass diese Gabe der Erde geküsst wurde und ihm magische Schutz- und Heilkräfte zugeschrieben waren. Mögen wir als Menschheit wieder erkennen, wer und was uns wirklich nährt und heilt und Mutter Erde unser Dank dafür wieder gewiss sein.
Die Weihe des Laurenzi-Brotes durch Pfarrer Simon Eibl und Mesner Toni Schnappinger
Dieser Beitrag ist im September 2022 auch im Magazin "Salzachbrücke", Salzburger Nachrichten - erschienen.
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