Die „Schlafende Hexe“

Vom widerständigen „Hexenbusen“ und katholischen Mäntelchen 

Weitum sichtbar liegt die im Volksmund als „Schlafende Hexe“ bezeichnete Bergformation des Lattengebirges am Eingang ins Berchtesgadener Land. Sowohl von der Salzburger als auch von der bayerischen Seite ist das Profil einer liegenden Frau deutlich zu erkennen. Der Kopf mit der auffällig ausgeprägten Nasen- und Kinnpartie sowie der „Hexenbusen“ bilden eine markante Felsgestalt, zu deren Entstehung die heimische Sagenwelt Folgendes zu berichten weiß:

Vor mehr als tausend Jahren hauste in den bayerischen Bergen beim Predigtstuhl und Schlegel eine Hexe. In die Einsamkeit der Gebirgswelt hatte sie sich zurückgezogen, da sie die immer zahlreicher ins, damals noch heidnische Land, ziehenden Christen nicht leiden konnte. Die Missionare, welche die neue Lehre des Christentums verbreiteten, wurden von der „Hexe“ mit fürchterlichem Grimm verfolgt. 

Der Einzug des Christentums 

Verkleidet als freundliche Wirtin, empfing sie am Hallthurmpaß oft Pilger auf ihrem Weg zum Grab des heiligen Zeno. Sie bot ihnen ein scheinbar stärkendes Gebräu an, das jedoch in Wahrheit vergiftet war. Manchmal versteckte sie sich auch an einer Stelle des Weges, wo die Berge ganz steil abfielen. Kam ein christlicher Wanderer unten vorüber, so rollte sie schwere Steine auf ihn herab, unter denen er den Tod fand. Auf diese Weise versuchte die „Hexe“ den Einzug des Christentums ins Berchtesgadener Land zu verhindern. 

Einst nahm auch der Gottesmann Martinus den Weg über den Hallthurmpass, um den Menschen im Berchtesgadener Land zu predigen. Wiederum verweilte die „Hexe“ in den Bergen, und als er an der Stelle, wo sie wartete, vorbeikam, wälzte sie einen schweren Felsbrocken herab. Durch ein donnerndes Geräusch gewarnt, konnte der Missionar die Gefahr im letzten Augenblick erkennen und zur Seite springen. 

In Stein verwandelt 

Mit Riesenkräften ausgestattet, brachte sie einen anderen Steinblock ins Rollen. In diesem Moment hielt Martinus ihr jedoch ein großes Kreuz entgegen, das er um den Hals hängen hatte. Wie die Sage weiter berichtet, lief im gleichen Augenblick ein Zittern durch das Gebirge und es ertönte ein fürchterliches Grollen wie von tausend Donnern zusammen. Mit unwiderstehlicher Gewalt wurde die Hexe zu Boden geschleudert und in Stein verwandelt. Martinus fuhr daraufhin mit der Missionierung des Berchtesgadener Landes fort.

Als ein „Schlafgemach von Drachen“ wurde der Talkessel des Berchtesgadener Landes am Beginn des 12. Jh. von den Augustiner-Chorherren beschrieben, als sie begannen, in dieser „wüsten Einöde“ ein Kloster zu errichten, nachdem sie den in der Sage beschriebenen Widerstand der vorchristlichen Bevölkerung „im Zeichen des Kreuzes“ gebrochen und gebannt hatten. Sowohl die Priesterinnen und Schamaninnen des „Alten Volkes“ als auch deren Landschaftsgöttin wurden unterm Christentum zu „bösen Hexen“ herabgewürdigt. 

Die „Schiach-Percht“ als Schwarze Göttin 

Berchtesgaden trägt den Namen der „Percht“, der alten Göttin des Alpenraums, noch immer im Namen. In Gestalt der „Schlafenden Hexe“ hütet sie, gemeinsam mit dem Untersberg als ihre paradiesische Anderswelt, bis heute den Eingang in ihr heiliges Land. Es ist die Schwarze Göttin, die aus dem regionalen Brauchtum als „Schiach-Percht“ bekannte Gestalt, die uns in der weiblichen Silhouette dieses Bergzuges erscheint. 

Der Drache ist in mythologischer Hinsicht der Begleiter der Schwarzen Göttin. Im Drachen zeigt sich uns ihr heiliges Symboltier, denn der Drache steht mit den Kräften der Unterwelt in Verbindung. Im Zuge der Austreibung des „Heidentums“ wurden von den Kirchenmännern die Drachentöter Michael und Georg auf den Missionierungsplan gerufen und die alten Landschaftsgöttinnen zu Marien- oder Frauenbergen umgeformt. Der markante „Hexenbusen“ der „Liegenden Percht“ scheint sich jedoch dem katholischen Marienmäntelchen widersetzt zu haben.  

Dieser Beitrag ist im April 2025 auch im Magazin "Salzachbrücke", Salzburger Nachrichten - erschienen.

Möchtest Du mehr erfahren über die naturverbunden-jahreszeitliche und landschaftsmythologische Betrachtungsweise der alten Bräuche, der Landschaft, der Sagen und Mythen und des Kirchenjahres: 

Rituale im Jahreslauf - online und vor Ort in Nußdorf am Haunsberg. 

Landschaftsmythologische Wanderungen

Wildes-Weiba-Wandern

Lehrgang matriarchale Landschaftsmythologie  

Meinen Wildmohnfrau-Newsletter bestellen: www.wildmohnfrau.at

Meine bisherigen Beiträge für das Magazin "Salzachbrücke" nachlesen: Artikel Salzachbrücke

Wenn Dir meine Blog-Beiträge gefallen, sie für Dich einen Wert haben, so freue ich mich, wenn Du mich und mein Tun mit einem Wertschätzungsbeitrag unterstützt: 

Raiffeisenbank Flachgau-Nord IBAN: AT66 3503 0000 2603 0767 BIC: RVSAAT2S030 Paypal: re.fuchs@aon.at (Renate Fuchs-Haberl) 

DANKE! 

Persönliche Bitte: Anonyme Kommentare finde ich etwas irritierend. Ich kann anonyme Kommentare technisch nicht unterbinden, um Allen hier die Möglichkeit zum Kommentieren zu geben. Deshalb würde ich mich freuen, wenn Ihr zu Euren Kommentaren Euren Vor- und Nachnamen dazuschreibt, vielen Dank!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Von „Hausdrachen“ und weiblichem Eigensinn

Brigid, Göttin des Lichts und des Neuanfangs

Urmutter Anna und das Wissen der Frauen - Die Ursprünge ihrer weitverbreiteten Verehrung und die Verbindung der Heiligen mit alten Frauenkultorten.