Der steinerne Brotlaib und Frau Welt - Von katholischen Wunderzeichen und vorchristlichen Kultsymbolen
In der frisch renovierten Wallfahrtskirche Maria im Mösl in Arnsdorf bei Lamprechtshausen hängt er an einer Kette als runder Stein an prominenter Stelle im Altarraum neben dem Kirchengestühl. Etwas versteckter befindet er sich in der Salzburger Stiftskirche von St. Peter im Vorraum gleich hinter dem Eingangsgitter. Breite, aus Eisen geschmiedete Bänder halten die sogenannten „Steinerne Brotlaibe“, von denen „Das große Salzburger Sagenbuch“ von Josef Brettenthaler zu erzählen weiß:
„Eine Bäuerin, die alle Sonn- und Feiertage den Kirchgang versäumte und dafür lieber ihre Hausarbeit verrichtete, ging schließlich soweit, am Tag des hl. Leopold, des Kirchenpatrons des Ortes, Brot zu backen. Einer Nachbarin, die ihr deswegen Vorwürfe machte, rief sie trotzig zu: „Leupl hin, Leupl her, ich habs Brot schon im Ofen!“ Als sie einige Zeit später aber den Ofen öffnete und die Laibe herausnehmen wollte, sah sie zu ihrem Schrecken, daß diese sich samt und sonders zu Stein verwandelt hatten! Von weit und breit strömten die Menschen herbei, um das Wunder zu betrachten; der Bäuerin jedoch war bei diesem Fingerzeig Gottes ein für allemal vergangen, noch ein einziges Mal am Sonntag eine Arbeit anzurühren! Die steinernen Brotlaibe wanderten später da- und dorthin; einer von ihnen aber kam in das Stift St. Peter, wo er nun seit Jahrhunderten an der genannten Stelle angebracht ist.“ Als Ort des Geschehens nennt die Sage einen Backofen zu Loibichl, einer Ortschaft nächst dem Markt Mondsee. Im Jahre 1603 soll der Pfarrer von Seewalchen am Attersee einen dieser zu Stein gewordenen Brotlaibe dem damaligen Abt Martin von St. Peter als Geschenk übersandt haben.
Zur Mahnung und Warnung
Die Arnsdorfer Brotlaib-Sage erzählt von einer Bäuerin, die
mit Gott und ihrem Schicksal haderte und deshalb den Allmächtigen herausfordern
wollte. Das Brotbacken während der Christmette schien ihr dazu eine geeignete
Tat. „Und soll das Brot zu Stein werden“, fluchte sie. Als das
Hausgesinde sie vom Brotbacken abhalten wollte, da soll sie zornig gerufen
haben: „Mich bringt ihr nicht in die Kirche!“. Während der Mette schob
sie das Brot in den Backofen, doch als Fingerzeig Gottes kamen nichts als
lauter runde Steine heraus. Von da an soll die Frau fast jeden Tag in die
Kirche gegangen sein und zur Mahnung und Warnung, dass Gott keinen Frevel
ungestraft lässt, wurde ein versteinerter Brotlaib, für alle sichtbar, in der
Arnsdorfer Kirche aufgehängt.
Diese, angeblich durch ein Gottesgericht versteinerten
Brotlaibe, werden als alte Brotmaße zu erklären versucht, aber auch als Schandsteine,
die man zänkischen Weibern um den Hals gehängt hätte oder sie werden als
Gewichtssteine für Turmuhren gedeutet.
Die Welt mit ihren vier Himmelsrichtungen
Im matriarchal-schamanischen Weltbild der Jungsteinzeit
versinnbildlicht der Kreis mit den vier Achsen die Welt mit ihren vier
Himmelsrichtungen. Diese Welt wurde als weiblich-göttlich betrachtet und
verehrt. In der mittelalterlichen Personifikation der „Frau Welt“ begegnet uns
eine Gestalt mit zwei Seiten. Vorne ist sie eine schöne, betörende Liebes- und
Lebensgöttin. Betrachtet man ihren Rücken, so zeigt sich dort ihr Aspekt als
Todesgöttin in Form von „Kröten und Schlangen“. In der Pfarrkirche Dorfbeuern
zeigt die Wandmalerei im nördlichen Langhaus über der hl. Margaretha eine
Darstellung von Gottvater in den Wolken, der in seiner linken Hand „die Welt“
in Gestalt eines „steinernen Brotlaibes“ hält.
In den „Bäuerinnen“ aus den Brotlaib-Sagen begegnen uns Frauen aus dem alten Volk, die noch lange an den vorchristlich-schamanischen Traditionen festgehalten haben. Wie bedeutsam ihre uralten Göttin-Symbole waren, zeigt sich an der Tatsache, dass diese unter der Bezeichnung „steinerne Brotlaibe“ bis heute in den katholischen Kirchen hängen.
Gottvater hält "die Welt" in seinen Händen - Dorfbeuern
Dieser Beitrag ist im September 2023 auch im Magazin "Salzachbrücke", Salzburger Nachrichten - erschienen.
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